Mittelbayerische Zeitung: Wenn am Sonntag Wahl wäre ... / Geht es nach den aktuellen Umfragen, wird Robert Habeck Kanzler. Doch die Meinungsforschung ist nicht so repräsentativ, wie viele denken. Leit
Geschrieben am 12-06-2019 |
Regensburg (ots) - Wäre nächsten Sonntag Bundestagswahl, dann, das
berichten die Meinungsforschungsinstitute, würde ein Viertel der
Befragten sich für Bündnis 90/Die Grünen entscheiden. Deren Chef
Robert Habeck ist in den Umfragen beliebter als Angela Merkel und
wird als nächster Kanzler gehandelt. Ein Grund, die nachhaltig
produzierten Sektkorken knallen zu lassen, ist das aber noch nicht.
Denn politische Umfragen sind als Prognose tatsächlicher
Wahlergebnisse aus gleich mehreren Gründen überbewertet. Wie das
mahnende Beispiel Martin Schulz zeigt, ist der Wählerwille
wankelmütig. Ein neuer Kanzler wird im Normalfall alle vier Jahre
gewählt, die Sonntagsfrage hingegen wöchentlich gestellt. Letztere
lädt dazu ein, das aktuelle Tagesgeschehen zu kommentieren.
Schließlich krankt die Fragestellung an ihrer Hypothetik: Jedem ist
bewusst, dass nächste Woche nicht tatsächlich Bundestagswahl ist. Im
Gegensatz dazu ist das Kreuzchen in der Wahlkabine ein Resümee der
vergangenen und, im Idealfall darauf aufbauend, die Kombination aller
politischen Hoffnungen und Forderungen für die kommende
Legislaturperiode. Die unbedachte Aussage eines Abgeordneten, der
gefeierte Talkshow-Auftritt einer Ministerin können sich in den
aktuellen Umfragewerten widerspiegeln - und am Wahltag längst
vergessen sein. Als tendenzanzeigender Meinungsmonitor sind Umfragen
daher durchaus aufschlussreich, für die Vorhersage von Ergebnissen
jedoch höchstens mit schwindendem Abstand zum tatsächlichen Wahltag
einigermaßen zuverlässig. Tatsächliche Hochrechnungen erlauben
höchstens sogenannte "Exit Polls", bei denen Menschen beim Verlassen
des Wahllokals gebeten werden, ihre tatsächliche Wahl zu
Umfragezwecken noch einmal zu wiederholen. Das zweite Problem:
Wahlumfragen suggerieren eine Sicherheit, die methodisch nicht
begründbar ist. Zwar weisen alle seriösen Institute die Rahmendaten
der Umfragenerhebung, etwa die exakte Fragestellung, die
Teilnehmerzahl und die Art der Datenerhebung, bei der
Veröffentlichung mit aus und man sollte annehmen, dass es in Zeiten
von Mobiltelefonen und Internet einfach ist, eine große Anzahl an
Bürgern zu befragen. Tatsächlich wird es jedoch immer schwieriger,
eine Stichprobe zu rekrutieren, die die tatsächliche
Bevölkerungsstruktur repräsentiert. Um eine gleichmäßige regionale
Verteilung der Antworten zu gewährleisten, verlassen sich die
Empiriker für ihre Befragungen gerne auf Telefoninterviews über den
Festnetzanschluss. Je nach Anrufzeitraum erreichen sie damit jedoch
vor allem diejenigen Mitglieder eines Haushalts, die tagsüber per
Festnetz zu erreichen sind. Auch jüngere Menschen, die oft nur noch
einen Handyanschluss besitzen, bleiben außen vor. Online-Fragebögen
schließen wiederum weniger computeraffine Wähler oder Analphabeten
von der Umfrage aus. Allgemein verleitet die Umfragesituation, da
weniger anonym als die eigentliche Wahl, zu sozial erwünschten
Antworten. Wer etwa umstrittene Optionen wie die AfD bevorzugt oder
eigentlich gar nicht vor hat zu wählen, gibt das am Telefon eventuell
nur ungern zu. Dass die Erhebungen "exakte" Prozentzahlen liefern,
ist angesichts dieser Schwierigkeiten problematisch. Eine kleine
prozentuale Abweichung mag in der Umfrage unerheblich wirken, kann in
der Politik jedoch große Veränderungen bedeuten, etwa, wenn eine
Partei wider Erwarten die Fünfprozenthürde verfehlt. Methodologisch
ehrlicher wäre es vielleicht, wenn die Umfragen stattdessen ein
Intervall darstellten, in welches das Ergebnis der entsprechenden
Partei vermutlich fallen dürfte. Auch wenn Umfragen vor der Wahl also
oft als Tatsachen präsentiert werden: Wir als Wähler sollten uns von
Sonntagsfrage und Co. in unserer Wahlentscheidung nicht verrückt
machen lassen. Wichtiger als vage Voraussagen bleibt für die richtige
Entscheidung auch weiterhin eine aktive Auseinandersetzung mit den
Parteien und ihren Programmen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
690358
weitere Artikel:
- Westdeutsche Zeitung: Polizeikosten für Vereine? Die Liga sollte ein Zeichen setzen (Leitartikel von Olaf Kupfer) Düsseldorf (ots) - So populär die Forderung nach einer Beteiligung
der Fußballclubs an den ausufernden Polizeikosten außerhalb der
Arenen sein mag, so schwierig ist sie durchzusetzen. Mindestens der
Weg des Bremer Innensenators Ulrich Mäurer über einen angeblich
unkomplizierten Solidarfonds aller Vereine aus den ersten beiden
Ligen über deren Dachorganisation DFL wird nicht tragen: Bremen ist
mit einem Einzelfall nach vorne geprescht und will nun andere Clubs
haftbar machen, die oft gar keinen polizeilichen Mehraufwand durch
Hochrisikospiele mehr...
- Westfalen-Blatt: Kommentar zu rot-roten Fusionsplänen Bielefeld (ots) - Die angeblich direkt von Oskar Lafontaine
stammenden Gedankenspiele über eine Fusion zwischen SPD und Linken
sind nicht mehr als eine Schnapsidee. Wer die Bremer
Koalitionsabsichten zum bundespolitischen Signal hochreden will,
übersieht, was Rot-Rot-Grün im Stadtstaat begründet: einzig die
nackte Not.
Es ist jedoch kein Signal der Stärke, wenn eine schwache Linke
eine noch schwächere SPD vor dem (verdienten) Gang in die Opposition
bewahren will. Ganz zu schweigen davon, dass der Bund wie auch die
anderen mehr...
- Badische Zeitung: Abschiebungen: Nichts gelernt /
Kommentar von Sebastian Kaiser Freiburg (ots) - Wer Populismus mit Populismus begegnet, könnte
schnell eine Bauchlandung hinlegen. Die CSU in Bayern kann darüber
ein Liedchen singen. Haben die Konservativen nichts aus ihren
Niederlagen gelernt? Über den Vorstoß von Bayerns Innenminister
Joachim Herrmann jedenfalls kann man nur den Kopf schütteln. Wer
Abschiebungen nach Syrien ins Gespräch bringt - wohlwissend um die
Menschenrechtslage in dem Bürgerkriegsland - dem ist nicht mehr zu
helfen. http://mehr.bz/khs135s
Pressekontakt:
Badische Zeitung
Schlussredaktion mehr...
- Rheinische Post: Saar-SPD dringt auf vorgezogenen Parteitag Düsseldorf (ots) - Die Vize-Ministerpräsidentin des Saarlandes,
Anke Rehlinger (SPD), hat entgegen der Vorschläge aus
Nordrhein-Westfalen auf einen vorgezogenen SPD-Parteitag Ende
September gedrungen. In ihrem Konzept, das der Landesvorstand
billigte und das der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Donnerstag)
vorliegt, spricht sich Rehlinger zudem für ein Mitgliedervotum zum
Parteivorsitz noch vor der Brandenburg-Wahl am 1. September aus. "Ein
offener, demokratischer Prozess verleiht unserer Partei Schwung und
ein von den Mitgliedern mehr...
- Rheinische Post: Seehofers Abschiebegesetz muss womöglich in den Vermittlungsausschuss Düsseldorf (ots) - Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) muss
das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz möglicherweise ganz neu
aushandeln. Das berichtet die Düsseldorfer "Rheinische Post"
(Donnerstag) unter Verweis auf den Rechtsausschuss des Bundesrates.
In dem Gremium habe sich am Mittwoch eine Mehrheit für die Anrufung
des Vermittlungsausschusses gefunden, berichtet die Zeitung. Die
Empfehlung gehe nun an das Plenum der Länderkammer, die darüber in
ihrer Sitzung am 28. Juni entscheiden soll. In den Länderregierungen
und zwischen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|