VW-Abgasskandal: Landgericht Oldenburg nimmt VW-Spitze beim Wort und deckt Widersprüche auf - haben wir jetzt auch in Deutschland ein öffentliches Geständnis?
Geschrieben am 28-06-2019 |
Köln (ots) - Das Landgericht Oldenburg wartet mit einem weiteren
bemerkenswerten Beschluss auf, der Volkswagen wohl einiges
Kopfzerbrechen bereiten wird (LG Oldenburg Beschluss vom 21.06.2019
Az. 6 O 1791/18). So wurde dem Konzern in einem von der Kölner
Kanzlei Rogert & Ulbrich geführten Prozess vom Gericht im März 2019
aufgegeben, der gegenwärtige Vorstand möge sich dazu erklären, ob ihm
Erkenntnisse vorliegen, wonach der damalige Vorstand im Zeitpunkt der
Kaufentscheidung der Klägerseite Kenntnis von der
Software"manipulation" gehabt habe.
Gerichtsbekannt sei, dass die Volkswagen AG die Anwaltskanzlei Day
Jones mit der "Aufklärung" u.a, durch Interviews von zahlreichen
Mitarbeitern und Sichtung von Dokumenten beauftragt hatte und dass
der Aufsichtsratsvorsitzende Pötsch in der Hauptversammlung am
11.05.2017 erklärt habe, dass es einen Abschlussbericht nicht geben
werde, weil es für die Beklagte unvertretbar riskant sei.
Im Beschluss heißt es weiter, dass am 18.06.2019 der gegenwärtige
Vorstandsvorsitzende, Herr Herbert Diess, in der ZDF Fernsehsendung
Markus Lanz auf die Frage des Moderators (ab Minute 54:30 des
abrufbaren Videos) "Hätten Sie das für möglich gehalten, dass
deutsche Autoindustrie mal auf dem Niveau manipuliert und ehrlich
gesagt betrügt? u.a. geantwortet "Das was wir gemacht haben war
Betrug, ja." (ab Minute 55:14).
In anderen laufenden Verfahren vor derselben Kammer habe die
Beklagte ergänzend dargelegt, dass die Sachverhaltsermittlungen
insbesondere zur Kenntnisnahme damaliger Vorstandsmitglieder noch
nicht abgeschlossen seien. Aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse gehe
man bei Volkswagen davon aus, dass die verbaute Umschaltlogik von
Mitarbeitern auf der Arbeitsebene programmiert und bedatet worden
sei. Man verfüge über keine Erkenntnisse, dass vormalige
Vorstandsmitglieder im Zeitpunkt der Kaufentscheidung der Klägerseite
von der Programmierung oder der Verwendung der Umschaltlogik Kenntnis
gehabt bzw. diese gebilligt hätten.
Das Gericht kommt nun zu dem Schluss, dass die Äußerungen von
Herrn Pötsch und Herrn Diess nicht mit der prozessualen Einlassung
der Beklagten in Einklang zu bringen seien.
Dafür wäre es mindestens erforderlich, die betreffenden
Mitarbeiter der Arbeitsebene namentlich zu benennen und das Ergebnis
Ihrer zu unterstellenden Anhörungen anlässlich der internen
Ermittlungen im Hinblick auf die Unterrichtung der nächst höheren
Verantwortungsebenen konkret mitzuteilen oder mitzuteilen, wer genau
im Unternehmen aus der Sicht von Herrn Diess "den" Betrug beging.
Dieses sei keine unzumutbare Ausforschung des Sachverhaltes. Dies
folge aus den besonderen Umständen des Falles, insbesondere gerade
aus den Erklärungen von Herrn Pötsch und Herrn Diess angesichts der -
selbstverständlichen - internen Ermittlungen.
Eine andere Beurteilung würde aus der Sicht einer vernünftig
denkenden Partei gleichsam wie eine Verhöhnung ihrer materiellen
Interessenlage anmuten.
Das Prozessrecht diene auch unter Berücksichtigung des
Beibringungsgrundsatzes in erster Linie der Verwirklichung des
materiellen Rechts und nicht zu dessen Verhinderung.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Rogert, Gründungspartner, ordnet den
Hinweisbeschluss ein: "Erstmalig traut sich ein Gericht, die auf der
Hand liegenden Widersprüche in dem Vortrag der Anwälte einerseits und
den Spitzen des Volkswagenkonzerns andererseits zu einem
Entscheidungskriterium zu erheben. Wie kann Herr Pötsch in der
Hauptversammlung sagen, dass das Jones Day Gutachten nicht
veröffentlicht werde, weil der Inhalt für VW erhebliche Nachteile mit
sich bringen könne und wie kann sich Herr Diess zustimmend zu dem
Vorwurf des Betruges äußern, wenn ihre Anwälte nach wie vor
behaupten, man habe gar nicht illegal gehandelt? Wir halten die
Aussage von Herrn Diess für ein öffentliches Geständnis vergleichbar
mit dem "conspiracy"-Geständnis in den USA."
Kontakt:
Dirk Fuhrhop
Rechtsanwalt
Rogert & Ulbrich
Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Ottostr. 12
50859 Köln
Telefon: (0049) (0)211/731 62 76-19
Fax: (0049) (0)211/25 03-132
E-Mail: fuhrhop@ru-law.de
Homepage: www.ru-law.de
Original-Content von: Rogert & Ulbrich, übermittelt durch news aktuell
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