BERLINER MORGENPOST: Kein Grund zur Häme / Leitartikel von Wolfgang Mulke zur Deutschen Bank
Geschrieben am 08-07-2019 |
Berlin (ots) - Kurzform: Häme über das Versagen der
selbstbewussten Manager ist fehl am Platze. Erstens sind mit dem
Schrumpfkurs viele Tausend menschliche Schicksale verbunden. Zweitens
sollten Sewing eher die Daumen für den Erfolg seiner Sanierung
gedrückt werden. Eine wirtschaftlich starke heimische Bank in
Deutschland ist auch im Interesse der Gesellschaft. Die vergangenen
Jahre haben zur Genüge gezeigt, wie schnell aus Verbündeten
Konkurrenten reifen können, wie schnell nationale Interessen das
Gefüge einer eher kooperativ ausgerichteten Weltwirtschaft
durcheinanderrütteln können. Es bietet eine gewisse Sicherheit, wenn
sich deutsche Unternehmen zur Finanzierung ihrer Vorhaben künftig
nicht nur auf Geldhäuser im Ausland verlassen müssen.
Der vollständige Leitartikel: Die ersten Investmentbanker der
Deutschen Bank mussten in London und New York schon an diesem Montag
ihre Sachen packen. 18.000 weitere Beschäftigte des größten
heimischen Geldhauses werden dieses Schicksal in den kommenden Jahren
teilen müssen. Jede fünfte Stelle fällt dem Schrumpfkurs der Bank zum
Opfer. Normalerweise würde eine Branchengewerkschaft lautstark den
Vorstand schelten und nach Rücknahme der Pläne rufen. Doch diesmal
ist es anders. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der
Betriebsrat des Instituts unterstützen den harten Sanierungskurs von
Vorstandschef Christian Sewing. Es geht also nicht wie so oft um eine
Maximierung der Gewinne im Sinne der Aktionäre. Es geht fast 150
Jahre nach der Gründung des renommierten Geldinstituts schlicht ums
Überleben der Bank, deren Name eng mit dem Aufstieg Deutschlands zur
wirtschaftlichen Supermacht verbunden ist. Mitleid kann der Konzern
nicht erwarten. Die Deutsche Bank war bei vielen der kleinen und
großen Schweinereien in den vergangenen Jahren dabei, die seit dem
Beginn der Finanzkrise ruchbar wurden. Ob bei Geldwäschevorwürfen,
der Manipulation von Zinsen und anderen Regelverstößen: Immer wieder
standen Angestellte des Branchenprimus im Fokus der Ermittler.
Milliardenschwere Strafzahlungen waren die Folge. Auch das einst
höchst einträgliche Investmentbanking kostete zunehmend nur noch viel
Geld, in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem durch die weiter
fließenden Millionenboni für erfolglose Banker. Erst waren die
führenden Manager überheblich bis großmäulig, dann sahen sie
zunehmend konzeptlos dem Niedergang zu. Die Quittung lässt sich am
Wert des Unternehmens ablesen. Steuerte die Deutsche Bank in den
besten Zeiten mal in Richtung eines Aktienkurses von 100 Euro, wären
die Aktionäre heute schon über einen niedrigen zweistelligen Preis
überglücklich. Die Vorstandschefs wechselten in den vergangenen
Jahren fast so häufig wie der Sportverein HSV die Fußballtrainer. Der
Traditionsclub ist wie die Deutsche Bank trotzdem in die zweite Liga
abgestiegen. Doch Häme über das Versagen der selbstbewussten Manager
ist fehl am Platze. Erstens sind mit dem Schrumpfkurs viele Tausend
menschliche Schicksale verbunden. Zweitens sollten Sewing eher die
Daumen für den Erfolg seiner Sanierung gedrückt werden. Eine
wirtschaftlich starke heimische Bank in Deutschland ist auch im
Interesse der Gesellschaft. Die vergangenen Jahre haben zur Genüge
gezeigt, wie schnell aus Verbündeten Konkurrenten reifen können, wie
schnell nationale Interessen das Gefüge einer eher kooperativ
ausgerichteten Weltwirtschaft durcheinanderrütteln können. Es bietet
eine gewisse Sicherheit, wenn sich deutsche Unternehmen zur
Finanzierung ihrer Vorhaben künftig nicht nur auf Geldhäuser im
Ausland verlassen müssen. Ob der von vielen Fachleuten als mutig
begrüßte Schritt ausreicht, muss sich nun noch zeigen. Stärken hat
die Bank zweifelsohne. Ob sie allein ausreichen oder doch noch eine
Fusion mit einem starken Partner notwendig wird, ist offen. Denn es
sind nicht nur die Sünden der Vergangenheit, die der Deutschen Bank
wie anderen Traditionsinstituten auch das Leben schwer machen. Die
Digitalisierung verändert die Branche nachhaltig. Das klassische
Filialgeschäft ist auf lange Sicht ein Auslaufmodell. Das wird noch
viele Arbeitsplätze kosten. Die Kunden, ob große oder kleine, suchen
sich für ihren Bedarf den jeweils besten Anbieter. Die Zinsen bleiben
auf mittlere Sicht niedrig, damit auch die Margen. Stabilität dürfte
der größte Erfolg sein, der im derzeitigen Umfeld möglich erscheint.
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