Allg. Zeitung Mainz: Provokateur / Kommentar von Reinhard Breidenbach zu Thilo Sarrazin
Geschrieben am 11-07-2019 |
Mainz (ots) - Thilo Sarrazin war bei hochmögenden Institutionen
tätig, im Bundesfinanzministerium, bei der Bahn AG, im
Bundesbank-Vorstand, auch im rheinland-pfälzischen Finanzministerium.
Das spricht für Sachkunde und Intelligenz. Aber Sachkunde mündet
manchmal in Verbissenheit, und Intelligenz ist noch lange keine
Garantie für Klugheit. Er arbeitete in leitenden Positionen und
hinterließ oft leidende Vorgesetzte. Allzu oft überschritt er die
Grenze von kreativer Widerborstigkeit zu zerstörerischem Zorn,
abstruser Sturheit, grotesker, verletzender und gefährlicher
Egomanie. Die Argumentation seiner Bücher ist sehr einseitig und sehr
böse. Unter dem Schutz der Meinungsfreiheit kann er solches
veröffentlichen. Aber die Meinungsfreiheit hat nicht zum Inhalt, ihm
die Mitgliedschaft in der SPD auch dann zu garantieren, wenn er
hetzerisch schreibt, Unsägliches, gemessen am Gebot und der
Notwendigkeit von Toleranz. Jeder Zweite in Deutschland sieht den
Islam als Bedrohung, sagt die jüngste Studie. Das heißt bei Gott
nicht, dass Sarrazin recht hätte. Der Islam verdient kritische
Toleranz. Er verdient keine klebrigen Sprüche über muslimische
Zuwanderer, die "ständig neue Kopftuchmädchen produzieren." Sarrazin
ist ein knüppelharter Provokateur. Warum - diese Frage können wohl
nur Psychologen beantworten. Vielleicht sind seine Tiraden, sein
Streit mit der SPD, die öffentliche Aufmerksamkeit und nicht zuletzt
die enormen Geldsummen, die er damit hereinholt, ein Lebenselixier.
Die AfD rollt ihm zu Recht den braunen Teppich aus. Aber als AfD-Mann
wäre er nicht mehr so interessant.
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