Börsen-Zeitung: Rezession im Anmarsch / Kommentar von Kai Johannsen zur Prognosefähigkeit von Zinsstrukturkurven
Geschrieben am 16-08-2019 |
Frankfurt (ots) - Wenn Sie derzeit jemanden treffen, der nicht mit
einer Rezession der US-Wirtschaft und anderer Volkswirtschaften
rechnet, dann sollten Sie diese Person fragen, ob sie überhaupt weiß,
was eine Rezession ist. Denn die Signale, die derzeit von den
Bondmärkten kommen, weisen eindeutig darauf hin, wohin die Reise in
Sachen Konjunktur geht. Aus Furcht, dass der US-Handelskonflikt nicht
nur kleinere Blessuren in der Wirtschaft anrichten, sondern ganz
heftige Beeinträchtigungen der konjunkturellen Entwicklung
hinterlassen, sprich eine Rezession auslösen wird, steuern die
Anleger seit Wochen und Monaten sichere Häfen an, also sichere
Staatsanleihen. Das dadurch ausgelöste Kurs- bzw. Renditebild zeigt
damit an, worauf sich die Anleger einstellen. In der Vergangenheit
waren das ausgesprochen sichere Signale für die weitere
realwirtschaftliche Entwicklung.
Durch die Käufe sicherer Staatsanleihen werden die Renditen der
betreffenden Papiere immer weiter heruntergedrückt. Das führt zu
Null- und Negativrenditen. Ein Phänomen, das seit Ende 2011 bekannt
ist. Um noch positive Bondrenditen einstreichen zu können, wandern
die Anleger die Laufzeitenkurve weiter herauf, mit dem Ergebnis, dass
auch in den langen Laufzeitenbereichen die Renditen immer weiter
fallen und schließlich ins Minus rutschen. So gibt es mittlerweile
Länder, deren gesamte ausstehende Renditekurve von zwei bis 20, 30
oder 50 Jahren Restlaufzeit komplett im Minus liegt.
Den Anfang machte der Staatsanleihenmarkt Dänemarks im Juli. Kurze
Zeit später folgte die Schweiz. Vor einigen Tagen kippte auch die
Kurve der Bundesanleihen ins Negative. Einen Tag später gesellten
sich die Niederlande dazu. Am Freitag wurde das fünfte Mitglied in
den Club der Staaten aufgenommen, die eine komplette Bondkurve mit
rotem Vorzeichen haben: Schweden.
Eine negative Rendite bzw. die Tatsache, dass die Kurve im Minus
ist, ist allein natürlich kein verlässliches Rezessionssignal. Sie
zeigt aber, wie groß die Furcht der Investoren vor einer Rezession
ist, denn sie drückt die damit verbundene Fluchtbewegung in sichere
Assets aus, kann also als entsprechender Gradmesser für diese
Unsicherheit herangezogen werden. Ein sehr guter Signalgeber ist aber
die Kurvenformation. In den USA, deren Kurve zwar noch im positiven
Bereich liegt, ist die Kurve der Staatsanleiherenditen von drei
Monaten bis zehn Jahren und seit der abgelaufenen Woche auch die
Kurve von zwei bis zehn Jahren Restlaufzeit der US-Staatsbonds
komplett invertiert. Das bedeutet: Dreimonatige und zweijährige
Bondrenditen liegen über den zehnjährigen Sätzen. Die Anleger stellen
sich bei einer solchen Formation der Kurve darauf ein, dass die
Notenbank der schwächelnden oder in der Rezession befindlichen
Wirtschaft auf längere Sicht mit niedrigen Leitzinsen unter die Arme
greifen muss. Dieses Signal war in der Vergangenheit sehr sicher,
ging doch jeder Rezession in den USA in den vergangenen 50 Jahren
eine Inversion der Zinsstrukturkurve - etwa im Bereich von drei
Monaten und zehn Jahren Restlaufzeit - voraus.
Auch die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) weisen
darauf hin, dass eine inverse Renditestruktur gemeinhin als einer der
besten Rezessionsindikatoren gilt. So soll die Kurvensteilheit auch
der zentrale Input-Faktor eines Modells der New Yorker Fed sein, um
die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten
einzuschätzen. Das Modell zeige aktuell eine
Rezessionswahrscheinlichkeit von 31,5% und liege damit in den
Dimensionen, die auch schon vor früheren Rezessionen verzeichnet
wurden. Und die USA sind mit ihrer inversen Kurve ja nicht allein.
Auch Kanadas Zinsstrukturkurve ist invertiert, die britische Kurve
tat es ihren amerikanisch-kanadischen Pendants in den vorigen Tagen
gleich. Die Briten haben erstmals seit 2008 wieder eine inverse
Kurve, die USA seit 2007.
Und die Bund-Kurve? Die zehnjährigen Renditen fallen derzeit
kräftig. Bis auf das Rekordtief von minus 0,727% ging es am Freitag
herunter. Die 30-jährige Bundrendite ist ebenfalls sehr stark unter
Druck, hier wurde der Rekord am Freitag mit minus 0,313% gemessen.
Die Rendite zweijähriger Papiere fällt auch, aber nicht so stark.
Dadurch verflacht sich die Kurve immer mehr. Der Abstand zwischen
zwei und zehn Jahren beträgt nur noch rund 20 Basispunkte.
Vielleicht lässt sich ja bald das nächste Novum am Markt der
Bundesanleihen beobachten, und zwar eine komplett flache Kurve, die
dann in die Inversion übergeht. Neu wäre dabei, dass sich dieses
Phänomen dann erstmals im negativen Renditebereich abspielt.
(Börsen-Zeitung, 17.08.2019)
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
698152
weitere Artikel:
- WAZ: NRW-Landesregierung dringt auf sozialverträglichen Umbau von Thyssenkrupp Essen (ots) - Angesichts der Krise von Thyssenkrupp dringt die
NRW-Landesregierung auf einen sozialverträglichen Umbau des Essener
Konzerns. "Wir beobachten die Entwicklung sehr aufmerksam und sind
mit dem Management und den Arbeitnehmervertretern in enger
Abstimmung", sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) der
Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Samstagausgabe). "Dabei hat
ein sozialverträglicher Umbau des Konzerns für uns hohe Bedeutung."
Auch Transfergesellschaften zur Abfederung von Stellenabbau seien "im
konkreten mehr...
- Hamburger Familienunternehmen CREMER stärkt regionale Präsenz in Europa durch Übernahme dreier Unternehmen der Fritz Köster Handelsgesellschaft AG (FOTO) Hamburg (ots) -
Mit Zustimmung der deutschen Kartellbehörden hat CREMER drei
Firmen der Fritz Köster Handelsgesellschaft AG übernommen. Durch den
Erwerb stärkt das Hamburger Familienunternehmen damit seine Position
auf dem Markt der oleochemischen Services und seine Präsenz in
Europa.
Die drei im schleswig-holsteinischen Uetersen ansässigen
Unternehmen OleoServ GmbH, S & K Chemical Trading and Production GmbH
und ProEn Protein und Energie GmbH werden in den Geschäftsbereich
CREMER OLEO integriert.
CREMER OLEO mehr...
- Freie Fahrt ins Fiasko: Warum Elektroautos so keine Zukunft haben / Nur Neutrinotechnologie kommt ohne Ladestationen aus / Forscher entwickeln das Auto Pi (FOTO) Berlin (ots) -
Von Klaus Wieland und Kerstin Heise
Deutschland wird fußballfeldgroße Tankstellen mit unzähligen
Ladestationen benötigen, sollte die Vision von Millionen Elektroautos
umgesetzt werden. Die heutigen Raststätten an den Autobahnen werden
nicht mehr ausreichen. Doch es gibt eine Alternative, die ohne
Ladestationen, ohne Reichweitenproblematik und ohne CO2-Ausstoß
auskommt. Das lange Warten beim Ladevorgang ist nach Überzeugung von
Prof. R. Strauss, Physiker und Wissenschaftlicher Beirat der Neutrino
Energy Group, mehr...
- Der Tagesspiegel: Onlinehändler Otto: Wir vernichten keine Retouren Berlin (ots) - Der Onlinehändler Otto sieht bei der Vernichtung
von schadhaften Rücksendungen keinen Handlungsbedarf. "Die
Vernichtung betrifft bei uns nur Sachen, bei denen jeder auf den
ersten Blick sagen würde: Ok, das ist wirklich Schrott", sagte
Otto-Vorstand Marc Opelt dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). Der
Anteil der zu zerstörenden Retouren liege "im Promillebereich". "Das
sind ein paar tausend Stück im Jahr", räumte er ein. "Wenn man
allerdings weiß, dass wir allein in unserem Lager in Haldensleben pro
Tag 120.000 Pakete mehr...
- Straubinger Tagblatt: EEG-Umlage - Stromsteuer abschaffen Straubing (ots) - Deutschland hat die höchsten Strompreise in
Europa. Soll der Abschied von Öl, Gas und Kohle ein Erfolg werden,
muss Elektrizität billiger werden. Die Abschaffung der Stromsteuer
wäre ein guter Hebel dafür. Das würde Unternehmen und Verbrauchern
gleichermaßen helfen. Erstere würden im Wettbewerb mit Firmen aus
anderen Ländern etwas besser gestellt. Letztere könnten sich
beispielsweise bei großen Neuanschaffungen für die klimafreundliche
Variante entscheiden, zum Beispiel ein Elektroauto statt eines
Benziners. Union mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|