Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu SUVs: Wettrüsten auf der Straße von Bernhard Fleischmann
Geschrieben am 11-09-2019 |
Regensburg (ots) - Sind Geländewagen sicher? Ja! Sind Geländewagen
gefährlich? Ja! Was denn nun? Ganz einfach: Sie sind sicher für
diejenigen, die drin sitzen. Und sie sind gefährlicher für alle
anderen. Sie sind auch etwas umweltschädlicher als andere
Fahrzeugtypen. So gesehen sind sie sogar gefährlicher für jene, die
drin sitzen - langfristig. Der Unfall in Berlin mit vier Toten hat
eine Diskussion ausgelöst über die Risiken, die Geländewagen
innewohnen. Noch weiß niemand, ob der Crash mit einem anderen
Fahrzeugtyp weniger tragisch ausgegangen wäre. So gesehen:
problematischer Anlass, dennoch richtiges Thema. Nahezu ein Drittel
der Autos, die in Deutschland verkauft werden, sind heute SUV.
Tendenz weiter steigend. Wir können uns lange die Köpfe hitzig reden,
wie seltsam das den einen erscheinen mag und wie klar die Eigner die
Vorteile für sich erkennen. Fakt ist: Der Boom der Brummer hat einen
tieferen Grund. Neben dem bequemeren Einsteigen und Sitzen für nicht
mehr ganz so gelenkige Menschen ist der entscheidende Faktor der
dichte Verkehr. SUV werden von Städtern mindestens so gerne gekauft
wie auf dem Land. Nun nennt sie die Industrie Stadtgeländewagen. Der
innere Widerspruch steckt da schon im Wort. In der Stadt gibt es kein
Gelände, für das man ein entsprechendes Mobil braucht. Der SUV ist
Blech gewordener Ausdruck unseres sozialen Umgangs auf den Straßen.
Dort wird es immer dichter. Kein Platz mehr für Entfaltung, für
"freies Fahren". Stattdessen Gedränge, Kolonnenbummeln, Stau. So ist
die stete Realität. Der Fahrer ist gelangweilt - oder aggressiv, wenn
sich andere Vorteile verschaffen beziehungsweise hinderlich
verhalten. Das scheint nur im SUV zu ertragen. Er gaukelt einen
Ausweg vor. Er vermittelt Überlegenheit und Sicherheit. Und er
kapselt ab. Er gewährt besser als andere die Chance zum Rückzug in
die eigene Burg und zur Verteidigung, bei weniger defensiven
Zeitgenossen zum Angriff - man hat ja die besten Waffen. Das Ganze
mündet in ein klassisches Wettrüsten. Unsere Autos werden immer
größer und schwerer. Wir verschanzen uns aus Angst vor Verletzung und
Tod, und wir munitionieren uns auf im Fight um die eine Minute, die
wir mit Durchsetzungskraft vulgo Rücksichtslosigkeit gewinnen wollen,
weil wir im zähen Verkehr ja schon 20 Minuten verloren haben.
Widersinnige Logik, funktioniert aber so. Wer daran zweifelt, der
betrachte die Gesichter der aktuellen Autos. Die Designer tragen den
Aggro-Style mitten unters Volk. Überall böse zusammengekniffene
Augen, aufgerissene Mäuler, finstere Gestik. Selbst Kleinwagen wie
ein Toyota Aygo blicken drein wie schlimm mutierte Kampfinsekten. Das
wirkt. Erst recht, wenn das Auto die Dimension eines Kleinlasters
erreicht. Keiner legt sich mit Godzilla an. Solch kampfeslustige
Gesichter befördern Aggressionen. Im dichten Gedränge unseres Alltags
ist das ein nahezu mutwilliger Aufruf der Designer zum direkten
Kampf. Wie wahnsinnig ist das alles? Und was hilft dagegen? Ganz klar
eine grundlegend andere Verkehrspolitik. Attraktive, öffentliche
Verkehrsmittel gehören da an vorderste Stelle. Allerdings dauert das
seine Zeit, vermutlich sogar noch länger. Bis dahin gibt es ein
Repertoire, Autos ihrer Verträglichkeit entsprechend zu behandeln.
Wer nicht in Parklücken passt, muss eben für zwei zahlen. Kfz- und
Treibstoffsteuern gehören ebenso zum Instrumentarium wie ein
Tempobegrenzer. Volvo riegelt bei 180 km/h ab, das geht auch
niedriger. Wie wäre es mit einem Verbrauchstest (der die Kfz-Steuer
maßgeblich bestimmt), in den der Spritverbrauch eines Modells bei
seiner Höchstgeschwindigkeit einfließt? So eine gedopte Schrankwand
muss bei 250 Sachen mächtig Luft vor sich herwuchten, 20 Liter oder
noch viel mehr sind da schnell vergurgelt. Weil diese Autos meist als
Geschäftswagen laufen, interessiert das den Piloten häufig null. Es
ist aber nicht einzusehen, warum die Allgemeinheit diese
Verschwendung finanziert. Strenge Limits für die Anerkennung als
Geschäftsauto würden viel helfen. Zwar liefe die deutsche
Autoindustrie dagegen Amok, denn das ist eine ihrer wirkungsvollsten
Subventionen. Trotzdem ändert sich wenig, wenn wir das nicht angehen.
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