Allg. Zeitung Mainz: Eigene Regeln // Friedrich Roeingh zur digitalen Ordnung
Geschrieben am 03-10-2019 |
Mainz (ots) - Was für ein Urteil. Der Europäische Gerichtshof
schützt mit seiner jüngsten Rechtsprechung nicht nur die Verbraucher
besser vor Hassreden und Beleidigungen in den so häufig asozialen
Netzwerken. Ausgerechnet der EuGH verschafft mit diesem Urteil auch
nationalen Rechtsnormen internationale Geltung. Nicht immer ist die
EU also der große Gleichmacher, wie uns ihre Gegner gern weismachen.
Viel entscheidender ist der Richterspruch aber mit Blick auf
Facebook, Google & Co. Er läutet hoffentlich eine Zeit ein, in der
sich Politiker und Juristen nicht länger ohnmächtig gegenüber den
globalen Plattformen zeigen. Ausreden der Betreiber wie "zu teuer",
"technisch nicht möglich" und "nicht für eine Region abwandelbar"
sind Ausreden, die bei dieser disruptiven Welteroberung viel zu lang
gegriffen haben. Die Beweglichkeit, die Google und Facebook bis zur
Selbstaufgabe ihrer angeblich so ehernen Prinzipien zeigen, wenn sie
in China einen Fuß in die Tür bekommen wollen, muss sich die EU
endlich selbstbewusster zunutze machen. Nicht um den Errungenschaften
digitaler Netzwerke den Garaus zu machen, sondern um ihre Auswüchse
einzuhegen, die unsere freiheitliche Ordnung bedrohen. Und dies
beschränkt sich nicht auf die Verfolgung und Unterdrückung von
Hassreden. Europa hat es selbst in der Hand, Regeln zu definieren,
die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schützen, einen angemessenen
Teil der Wertschöpfung der Internetriesen einfordern und die Rechte
der Bürger auch in Zeiten ihrer Verdatung schützen. Europa braucht
dringend einen Gegenentwurf zum Ultraliberalismus des Silicon Valley
und zum Big-Brother-Modell Chinas.
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