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Einweg-Industrie lässt ökologisch unsinnige Wegwerfverpackung schönrechnen: Deutsche Umwelthilfe kritisiert Ökobilanz zu Getränke-Plastikkartons

Geschrieben am 17-10-2019

Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe analysiert Auftragsgutachten
der Einweg-Industrie und dokumentiert die systematischen Tricks, wie
aus einer schwer recycelbaren Einweg-Verbundverpackung eine angeblich
dem Mehrweg-Glas ebenbürtige Verpackung werden soll - Mehrwegexperten
erreichten mittlerweile die Rücknahme des Gutachtens wegen
nachweislich zu hoch angesetzten Mehrweg-Transportentfernungen -
Neuer Trick zum Schönrechnen durch absurd hohe CO2-Gutschriften für
Getränke-Plastikkartons - Analyse der DUH zeigt, dass anstatt der
angenommenen 65 Prozent tatsächlich nur 36 Prozent der
Getränke-Plastikkartons recycelt werden - Mehrweg-Glasflaschen werden
hingegen bis zu 50 mal wiederbefüllt und anschließend zu neuen
Glasflaschen recycelt

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die vom Heidelberger
IFEU-Institut im Juli 2019 veröffentlichte und zwischenzeitlich wegen
falschen Angaben zurückgezogene Ökobilanz zu Getränkekartons und
Mehrwegflaschen als Musterbeispiel für Greenwashing.

"Wie lässt die Industrie eine aus bis zu 50 Prozent Kunststoff und
Aluminium bestehende Einwegverpackung, die lediglich zu etwa einem
Drittel recycelt und oft in der Umwelt entsorgt wird,
umweltfreundlich erscheinen? Ganz einfach: Über eine
Auftrags-Ökobilanz, die mit falschen Angaben zu Mehrweg und dem
Zauberinstrument der 'CO2-Gutschrift' ausgerechnet den
Getränke-Plastikkarton schönrechnet", kommentiert
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Negative ökologische Folgen von Kunststoffverpackungen, wie die
Vermüllung der Landschaft, Eintrag der Kunststoffpartikel in Flüsse,
Seen und Meere oder die Belastung von Tieren und Menschen mit
Schadstoffen und Mikroplastik, wurden bei er ökobilanziellen
Betrachtung ausgeklammert. Auch die in der IFEU-Studie angenommene
Recyclingquote für Getränkekartons liegt nach Berechnungen der DUH
nicht bei 64,7 Prozent, sondern tatsächlich bei nur 35,8 Prozent, wie
eine Infografik der DUH zeigt. Demnach wird kaum mehr als ein Drittel
der Getränke-Plastikkartons recycelt.

Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband kritisiert
Getränkekartons zudem als nicht kreislauffähig, da diese immer wieder
aus neuem Kunststoff, Aluminium und Papierfasern hergestellt werden
und eben nicht aus im Kreislauf wiedereingesetztem Material bestehen.
Schon die Bezeichnung 'Getränkekarton' täusche über den bis zu 50
Prozent ausmachenden Kunststoffanteil dieser Einwegverpackung hinweg,
weswegen die DUH von 'Getränke-Plastikkartons' spricht. Der
Marktführer Tetra Pak bringt weltweit 721.000 Tonnen Plastik pro Jahr
in Verkehr. Damit gehört das Unternehmen neben den Konzernen
Coca-Cola und Nestlé im Lebensmittelbereich zu den größten
Plastiksündern weltweit.

"Mit diesem Auftragsgutachten haben die
Getränke-Plastikkartonhersteller erneut gezeigt, dass sie kein
Interesse an ehrlichen Bewertungen ihrer nicht kreislauffähigen
Verbundverpackung haben. Erfreulicherweise hat sich der Gesetzgeber
in der EU und in Deutschland auf die Abfallhierarchie besonnen und
stellt Mehrweg- über Einwegverpackungen. Die deutsche Bundesregierung
hat sich nicht ohne Grund von der Bewertung einer so genannten
'ökologischen Vorteilhaftigkeit' von Einwegverpackungen
verabschiedet. Anstatt Industriegutachten brauchen wir ehrliche
Ökobilanzen im Auftrag einer neutralen Behörde wie dem
Umweltbundesamt", so Resch.

In der IFEU-Ökobilanz wurden für Mehrwegflaschen für Milch
Transportentfernungen von 1.443 Kilometern und für Saft und Nektar
von 1.231 Kilometern angenommen. Auf dieser Basis kommunizierten das
IFEU-Institut und der Getränke-Plastikkartonverband FKN, dass
Getränke-Plastikkartons für Milch aus Umweltsicht besser sowie für
Saft und Nektar zumindest gleichauf mit Mehrwegflaschen seien. Erst
nachdem das IFEU-Institut von Fachleuten auf die unrealistischen
Zahlen und Ergebnisse angesprochen wurde, räumte dieses ein, mit
falschen Zahlen gerechnet zu haben. Man habe verwendete Gutachten zu
Transportentfernungen, die ebenfalls im Auftrag des FKN erstellt
wurden, nochmals überprüft und festgestellt, dass man 'aus Versehen'
die Transportentfernungen für Mehrweg verdoppelt hatte.

Als besonders dreist bewertet die DUH den Trick, durch absurd hohe
CO2-Gutschriften - ausgerechnet für die Verwendung von Primärfasern
anstelle recycelten Papiers sowie die Verbrennung der Getränkekartons
- die Klimabilanz der Einwegverpackung schönzurechnen. "Die
CO2-Gutschriften in der IFEU-Ökobilanz machen Getränke-Plastikkartons
im Milchsegment auch dann klimafreundlicher als Mehrwegflaschen, wenn
diese ohne jeglichen Transport in der Molkerei abgefüllt, leer
getrunken und wiederbefüllt würden. Gleichzeitig könnten laut der
Studie Getränkekartons tausende Kilometer weit transportiert werden.
Spätestens hier erkennt man, dass die Annahmen völlig absurd sind und
mit der Realität nichts zu tun haben", erklärt der Stellvertretende
Leiter für Kreislaufwirtschaft Philipp Sommer.

"Den Annahmen des IFEU-Instituts zufolge ist es klimafreundlich,
Bäume zu fällen und daraus Papier herzustellen. Dabei gehen mit der
Papierherstellung massive CO2-Emissionen einher und das im Papier
gebundene CO2 wird am Ende wieder freigesetzt. Von einer nachhaltigen
Waldbewirtschaftung sind wir weit entfernt. Deutschland importiert
mehr als 80 Prozent seines Faserbedarfs aus dem Ausland und die hohe
Nachfrage führt selbst in Skandinavien, wo das Holz für die
Getränkekartons vorwiegend herstammt, dazu, dass auch alte und
artenreiche Wälder für diese Einwegverpackung kahlgeschlagen werden",
erklärt Sommer weiter.

Auch die für Getränke-Plastikkartons angenommene Recyclingquote
von 64,7 Prozent ist Berechnungen der DUH zufolge falsch. Das
IFEU-Institut korrigierte die vom Herstellerverband FKN kommunizierte
Recyclingquote von 76,8 Prozent nur geringfügig. Aktuelle Recherchen
der DUH ergeben, dass tatsächlich nur 35,8 Prozent der
Getränkekartons recycelt werden. Den meisten Verbrauchern ist nicht
bewusst, dass in der offiziellen Recyclingquote weder die
Restinhalte, Fremdmaterialien, Faserverluste noch das verbrannte
Aluminium und Plastik abgezogen werden.

Insgesamt landen etwa 37 Prozent der Getränkekartons gar nicht
erst im Gelben Sack, sondern werden fälschlich in der Papiertonne,
dem Restabfall oder der Umwelt entsorgt. Über die Altpapiersammlung
entsorgte Getränke-Plastikkartons werden jedoch nur zu einem geringen
Teil recycelt, da die normalen Altpapiermühlen das mehrschichtige
Verbundmaterial nicht verarbeiten können.

Die DUH fordert das IFEU-Institut auf, zukünftig - gerade auch bei
Gutachten im Auftrag der Einweg-Industrie - eine realistische
Bewertung von Getränke-Plastikkartons und Mehrwegflaschen
vorzunehmen. Wichtige und in dieser Studie nicht oder nur ansatzweise
berücksichtigte Umweltkriterien wie etwa die Vermüllung der Umwelt,
entstehendes Mikroplastik, die Schäden in marinen Ökosystemen, die
Naturraumbeanspruchung oder die Human- und Ökotoxizität sollten bei
der Ergebnisfindung gleichwertig berücksichtigt werden.

Den Verbrauchern empfiehlt der Umwelt- und
Verbraucherschutzverband, sich am Verkaufsregal für regionale
Mehrwegflaschen anstatt Getränke-Plastikkartons zu entscheiden.

Links:

- DUH-Mythenpapier, Berechnung der tatsächlichen Recyclingquote
und weitere Informationen zu Getränkekartons:
https://www.duh.de/getraenkekartons/

- Informationen rund um Getränkeverpackungen
http://ots.de/rn0bpV



Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

Philipp Sommer, Stellvertretender Leiter Kreislaufwirtschaft
030 2400867-462, sommer@duh.de

Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft
030 2400867-43, 0151 18256692, fischer@duh.de

DUH-Pressestelle:

Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de

www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe,
www.facebook.com/umwelthilfe, www.instagram.com/umwelthilfe

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell


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