Rheinische Post: Kommentar /
Weckruf für eine große Hartz-IV-Reform
= Von Birgit Marschall
Geschrieben am 05-11-2019 |
Düsseldorf (ots) - Es ist nachvollziehbar, dass die Kürzung des staatlich
garantierten Existenzminimums in Gestalt des Arbeitslosengeldes II nicht mit dem
Verfassungsgrundsatz der Wahrung der Menschenwürde vereinbar ist, wenn sie über
ein gewisses Maß hinausgeht. Vorübergehende Kürzungen der Regelleistung, die
über 30 Prozent hinausgehen, stellen aus Sicht des Verfassungsgerichts eine
außergewöhnliche Belastung der Betroffenen dar, sind deshalb unverhältnismäßig
und ab sofort verfassungswidrig.
Das ist eine weitreichende Veränderung in der täglichen Praxis der Job-Center.
Die unmittelbaren politischen Wirkungen des Urteils bleiben allerdings begrenzt.
Denn die Richter stellen das Grundprinzip des Hartz-IV-Systems, das
Zusammenwirken von Fordern und Fördern, nicht infrage. Es bleibt für die
Empfänger zumutbar, dass ihnen Leistungen vorübergehend gekürzt werden, wenn sie
sich nicht an Regeln halten.
Wenn aber trotz zehnjährigen Aufschwungs weiterhin rund 1,5 Millionen Menschen
langzeitarbeitslos sind, stimmt etwas grundlegend nicht im Hartz-IV-System. Es
gibt eine große Gruppe, die nur schwer integrierbar ist. Für sie muss es eine
viel engere Betreuung geben, etwa durch Lebensberater. Für eine andere große
Gruppe wiederum sind die Anreize falsch gesetzt: Sie geht nur kleinen Mini-Jobs
nach, weil alle darüber hinausgehenden Hinzuverdienste zu stark auf die
Regelleistung angerechnet werden. Eine grundlegende Hartz-IV-Reform sollte vor
allem hier ansetzen.
Für Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ist das Urteil nur auf den
ersten Blick Wasser auf die Mühlen. Denn das Verfassungsgericht sagt auch klar:
Die Kürzung der Leistung um bis zu 30 Prozent ist nicht verfassungswidrig. Alle
weiteren Verfassungsklagen, die darauf zielen, die Sanktionen komplett
abzuschaffen, dürften daher abgewiesen werden.
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