Mittelbayerische Zeitung: Das Eigentor der CSU
Auf die harte Asylpolitik der vergangenen Jahre folgt jetzt eine höchstrichterliche Quittung - und das zu Recht. Von Christine Schröpf
Geschrieben am 03-12-2019 |
Regensburg (ots) - Humanität und Ordnung postuliert die CSU stets als
harmonischen "Zweiklang" ihrer eigenen Asylpolitik. Tatsächlich kamen bei der
Regierungspartei speziell zum Höhepunkt der Migrationsbewegung in den Jahren
2015 und 2016 viel zu oft sehr schrille Begleittöne hinzu - getrieben von grobem
Aktionismus, verstärkt durch notorische Taubheit gegenüber ernstzunehmender
Kritik. Für das, was damals schieflief, ist das bayerische Integrationsgesetz
das perfekte Beispiel: Ein wichtiges Anliegen - das Einbinden von Menschen aus
anderen Kulturkreisen und das Vermitteln demokratischer Werte - wurde in einer
Weise umgesetzt, die eher abschreckt als zum Mitmachen animiert. Das Regelwerk
schrammt Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und kollidiert mit Bundesgesetzen.
Es ist also in hohem Maße selbstverschuldet, dass das Gesetz nun drei Jahre nach
Inkrafttreten in wichtigen Teilen vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof als
verfassungswidrig eingestuft wurde. Einiges von dem, das die CSU als
unverhandelbar deklarierte, ist einkassiert. Das Gesetz ist insgesamt
diskreditiert. Die Verantwortung dafür kann sich die CSU selbst zuschreiben:
Schon das Gesetzgebungsverfahren 2016 prägte Oberlehrerhaftes zur deutschen
Leitkultur. Die CSU nahm dafür sogar den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die
Pflicht - und weiß jetzt höchstrichterlich, dass das eine ziemlich blöde Idee
war. Grundrechte wie die Gleichberechtigung von Frauen sollten unwillige
Migranten unter Androhung von Bußgeldern verinnerlichen - als ob sich jemand so
einfach per Kommando für demokratische Werte erwärmen lässt. Hoch umstritten
auch der "Schwimmbad-Paragraf", der als Regel erscheinen ließ, dass sich
Asylbewerber gegenüber Frauen übergriffig verhalten, dabei handelt es sich eher
um Einzelfälle. In großen ostbayerischen Schwimmbädern wie dem Regensburger
Westbad oder dem Burglengenfelder Bulmare kommt man jedenfalls in diesen Fällen
nach eigenem Bekunden gut mit dem schlichten alten Hausrecht klar. Der
"Schwimmbad-Paragraf" ist ein Papiertiger, wie überhaupt die größte Groteske
ist, dass das Integrationsgesetz de facto in den vergangenen Jahren in seinen am
heftigsten diskutierten Teilen im Alltag offenbar nicht angewendet worden ist.
Bei den zuständigen Stellen weiß jedenfalls niemand von Bußgeldern für
Migranten, die sich der Integration widersetzten oder von finanziellen
Rückforderungen an Asylbewerber, die trotz Sprachkursen und Jahren im Land nicht
gut genug Deutsch sprechen. Das Integrationsgesetz atmet den Geist von 2016. Das
Jahr war geprägt von hohen Flüchtlingszahlen und teils großem Unwillen in Teilen
der Bevölkerung. Die CSU war beherrscht vom Ärger über Kanzlerin Angela Merkel,
die viele Vorstöße zur Asylpolitik abtropfen ließ. Umso wichtiger wäre gewesen,
dass die Partei - damals unter Führung von Ministerpräsident Horst Seehofer -
kühlen Kopf behält. Doch sie ließ sich zu unnötiger Schärfe hinreißen. Ein
Schaden übrigens auch für die CSU, die damit ihre unbestreitbar existierenden
Leistungen in der Integrationspolitik selbst überschattete. Allein im
Doppelhaushalt 2019/2020 investiert die Regierungspartei ohne Murren 3,55
Milliarden Euro in den Bereich Zuwanderung und Integration. Geld, das für die
Versorgung und die Eingliederung von Flüchtlingen ausgegeben wird. Es sollte
stärker über die Erfolge dieser Arbeit gesprochen werden - gern übrigens auch
grundsätzlich und ohne erhobenen Zeigefinger über Leitkultur: Welche Werte
sollten Migranten mit uns teilen - und wie sehr fühlen wir uns selbst diesen
Werten verpflichtet, wenn es einmal unbequemer wird? Der CSU hätte eine
entsprechende Selbsterforschung höchstwahrscheinlich die Schlappe vor dem
Verfassungsgerichtshof erspart.
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Mittelbayerische Zeitung
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