Allg. Zeitung Mainz: Kaputtstreiken? // Reinhard Breidenbach zu Frankreich
Geschrieben am 05-12-2019 |
Mainz (ots) - Die Rentner zwischen Calais im Norden und Marseille im Süden
unserer wichtigsten westlichen Nachbarn und Freunde leben, nun, nicht "wie Gott
in Frankreich", aber im Durchschnitt vergleichsweise komfortabel, je nach
Blickwinkel komfortabler als ihre Altersgenossen in Deutschland. Die
französischen Sozialsysteme sind insgesamt großzügig. Die Frage ist allerdings,
ob Frankreich sich das leisten kann. Bei leidenschaftsloser Betrachtung lautet
die Antwort: Nein. Die französische Staatsverschuldung ist viel zu hoch.
Präsident Macron muss Reformen durchsetzen. Die Privilegien im französischen
Rentensystem sind objektiv absurd. Subjektiv betrachten diejenigen, die von den
Privilegien profitieren, diese Einschätzung als Eklat. Und in solchen Fällen
pflegt sich der Franzose als solcher, mächtige Gewerkschaften im Rücken, seiner
revolutionären Gene zu erinnern. Der Geist von 1789 kennt dann kein Halten. Nun
sind Streikrecht und Demonstrationsfreiheit heilige Güter, nicht nur in
Frankreich. Aber dort eskaliert es in nicht hinnehmbarer Weise. Man kann einen
Staat auch kaputtstreiken oder zugrunde demonstrieren. In den Reihen der
"Gelbwesten" standen kriminelle Faschisten mit fürchterlichem Hass- und
Gewaltpotenzial. Macron und der französische Rechtsstaat stehen vor einer
existenziellen Bewährungsprobe. Was die Lage zusätzlich verschärft, ist Macrons
Selbstverständnis als Wunderkind und Heilsbringer. Die Nato als "hirntot" zu
bezeichnen, ist nicht arrogant, sondern unverschämt. Trotzdem ist Macron einer
von den Guten. Nicht auszudenken, Marine Le Pen käme an die Macht.
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