Rheinische Post: Kommentar /
Für den Soli wird es jetzt eng
= Von Birgit Marschall
Geschrieben am 05-12-2019 |
Düsseldorf (ots) - Der Soli müsste ab 2020 eigentlich Geschichte sein. Aus
verfassungsrechtlichen Gründen ist er nicht mehr haltbar, weil der Zweck des
Zuschlags mit dem Ende des Solidarpakts II zum Jahresende 2019 entfällt. Deshalb
müsste der Zuschlag sofort weg, nicht erst ab 2021. Darauf zielt eine
Musterklage vor einem Nürnberger Gericht - und es gibt nun ein erstes Anzeichen,
dass die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen diese Musterklage richtig ernst
nimmt.
Die Pläne der Bundesregierung für die Teil-Abschaffung des Zuschlags erst von
2021 an sind allerdings ebenfalls verfassungswidrig, weshalb auch längst mehrere
Verfassungsklagen dagegen in Vorbereitung sind. Es ist mit dem Grundgesetz
schlicht unvereinbar, dass einige wenige den Soli weiter bezahlen sollen, für
den aber allgemein der Zweck entfallen ist. Zudem verstößt diese Benachteiligung
hoher Einkommen auch noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Soli muss also nicht nur für 90 Prozent der Steuerzahler entfallen, sondern
für alle schon 2020. Der Einnahmeausfall von 20 Milliarden Euro, der im
Bundeshaushalt entstünde, könnte durch einen Griff in die Asyl-Rücklage
kurzfristig finanziert werden. Sie ist mit 40 Milliarden Euro ausreichend
gefüllt.
In den kommenden Jahrzehnten wird allerdings der Finanzierungsbedarf für
Sozialleistungen rein demografiebedingt erheblich steigen. Hinzu kommt ein
enormer Investitionsbedarf, etwa für den Klimaschutz und den Ausbau der
digitalen Netze. Deshalb könnte die Entlastung vom Soli einhergehen mit einer
moderaten Höherbelastung der höchsten Einkommen. Wenn selbst der
CDU-Wirtschaftsliberale Friedrich Merz vor einem höheren Spitzensteuersatz für
sehr hohe Einkommen nicht mehr zurückschreckt, könnte das eine Marschroute für
die große Koalition sein.
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