Westdeutsche Zeitung: Kommentar von Ekkehard Rüger zur Merkel-Reise:
Auschwitz und die Politik
Geschrieben am 06-12-2019 |
Düsseldorf (ots) - NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (58) war im Januar
erstmals in Auschwitz, Bundeskanzlerin Angela Merkel (65) am Donnerstag. Ohnehin
haben nur wenige deutsche Nachkriegskanzler die Reise bisher gewagt, von acht
gerade mal drei. Helmut Schmidt war 1977 der Erste. Es folgten zweimal Helmut
Kohl und jetzt Merkel. Selbst Willy Brandt, dem mit dem Kniefall von Warschau
die wohl wichtigste Symbolhandlung der deutschen Nachkriegsgeschichte gelang,
war nicht in Auschwitz.
Ob deutsche Spitzenpolitiker die KZ-Gedenkstätte besuchen oder nicht, sagt
nichts darüber aus, welchen Stellenwert sie der Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus einräumen. Aber es sagt etwas darüber aus, wie schwierig ein
Besuch dort immer noch ist - ein falsches Wort, eine falsche Geste kann
Erschütterungen ungeahnten Ausmaßes auslösen. Viele haben sich bei diesem Thema
auch an anderer Stelle schon hoffnungslos verheddert. Das pietätlose Desaster
des "Zentrums für politische Schönheit" mit seiner Stele voller Opferasche vor
dem Reichstag ist da nur ein aktuelles Beispiel.
Nein, es muss nicht immer Auschwitz sein. Der NS-Terror hat zahlreiche Orte des
Grauens hinterlassen, und viele wichtige Gedenkstätten sind dort und andernorts
entstanden. Aber Auschwitz steht in seiner Wirkmacht wie kein anderer für die
Abgründe, zu denen Menschen fähig sind, wenn Rassenwahn, Antisemitismus und
hasserfüllte Gewaltbereitschaft den Ton angeben.
Darum: um alles in der Welt Besuche ermöglichen, um alles in der Welt den Erhalt
finanzieren, um alles in der Welt die Erinnerung wachhalten, mit ganzem Herzen
und ganzem Verstand. Ob als 58-Jähriger, als 65-Jährige oder schon als Schüler -
Auschwitz verlässt man nicht gleichgültig. Und der Weg dorthin, so schwer er
auch fällt, kann eigentlich nur der Menschlichkeit dienen.
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Westdeutsche Zeitung
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