Goodbye / Kommentar von Jens Kleindienst zur Brexit-Abstimmung
Geschrieben am 20-12-2019 |
Mainz (ots) - Boris Johnson hat geliefert. Gerade mal acht Tage nach seinem
fulminanten Wahlsieg ließ er das neue Parlament über den EU-Austrittsvertrag
abstimmen - und bekam die erwartete satte Mehrheit. Traurig, traurig. Es hat
aber sein Gutes, dass die tragisch-groteske Londoner Brexit-Oper zu einem
vorläufigen Ende gekommen ist. Und jetzt? Weiter geht's mit Brecht: "Wir sehn
betroffen - den Vorhang zu und alle Fragen offen." Zum Beispiel die Frage, auf
welcher Grundlage Großbritannien und die EU in Zukunft Handel miteinander
treiben werden. Oder die Frage, wie Brüssel und London das Nordirland-Problem
lösen werden. Wie weit werden sich die Briten von den europäischen
Sozialstandards entfernen? Und werden dem Vereinigten Königreich auf dem Weg aus
der EU die Schotten von der Fahne gehen? Derzeit ist nicht einmal klar, ob
überhaupt ein halbwegs geordneter Übergang gelingen wird. Boris Johnson hat die
Zeit für die anstehenden komplizierten Verhandlungen mit Brüssel extrem
verknappt: Bis Ende 2020 muss alles festgezurrt sein, und Brüssel wird London
keinen Rabatt einräumen. Das enge Zeitkorsett nährt den Verdacht, Johnson strebe
in Wahrheit einen No-Deal-Brexit an. Kann schon sein. Andererseits ist Johnson
ein politischer Überlebenskünstler und ein Opportunist. Der EU-Austritt war für
ihn immer der Türöffner für 10 Downing Street. Dort will er eine Weile bleiben.
Einen chaotischen Brexit mit dramatischen Folgen für die heimische Wirtschaft
kann er dabei nicht gebrauchen. Gut möglich also, dass das Brexit-Drama noch in
die eine oder andere Verlängerung geht. Ein Zurück der Briten in die EU gibt es
aber wohl nicht mehr. Goodbye!
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