Mangelndes Vertrauen in digitale Strategie der Banken
Geschrieben am 17-01-2020 |
München/Zürich (ots) - Aufgrund von Divergenzen zwischen langfristiger Vision
und kurzfristiger Leistung befindet sich die Finanzdienstleistungsbranche auf
Kollisionskurs. Das zeigen die Ergebnisse des diesjährigen State of Financial
Services Report der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman.
Finanzdienstleister versuchen das Unternehmen der Zukunft aufzubauen. Ihre
mangelnden Fortschritte schüren jedoch die Skepsis der Anleger wie der State of
Financial Services Report von Oliver Wyman zeigt. Gerade einmal 25 Prozent der
Anleger ist laut Report zuversichtlich, dass die Digitalisierungsstrategien der
Unternehmen von Erfolg gekrönt sein werden. Weniger als 1 Prozent der Befragten
ist der Ansicht, dass die Pläne klar formuliert und glaubwürdig sind.
"Die Notwendigkeit zu investieren und sich zukunftsfähig aufzustellen, ist da.
Das Zeitfenster für die Umsetzung wird jedoch immer enger", sagt Tobias Würgler,
Leiter der Financial Services Practice von Oliver Wyman in der Schweiz. "Obwohl
in einigen Bereichen ein Durchbruch erzielt wurde, ist unter dem Strich bislang
noch keine positive Wirkung erkennbar."
Kluft zwischen Anlegern und Unternehmen
Dem Report zufolge investieren Finanzdienstleistungsunternehmen im Jahr
durchschnittlich fünf Prozent ihres Umsatzes in den Wandel. Die Anleger können
nach eigenem Bekunden jedoch nicht nachvollziehen, in was die Unternehmen genau
investieren und aus welchen Gründen. Was der Wandel beinhaltet oder wohin die
Reise letztlich gehen soll, erschliesst sich ihnen nicht. Es fehlt den Anlegern
an aussagekräftigen Kennzahlen zur Beurteilung der Fortschritte. Ausserdem haben
sie Zweifel am Kosten-Nutzen-Verhältnis hoher Investitionen in neue
Technologien.
Die Divergenz zwischen ambitionierten teuren Transformationsprogrammen und dem
daraus resultierenden wirtschaftlichen Nutzen macht es für Anleger schwer
nachzuvollziehen, was Investitionen in digitale Lösungen tatsächlich bewirken.
98 Prozent der europäischen Banken erwähnten das Wort "digital" in ihrer
externen Kommunikation, in den Research-Berichten der Analysten wurde der
Begriff indes nur bei 27 Prozent der Banken genannt.
Die Zeit drängt
Diese Entfremdung fällt zusammen mit einem Auseinanderdriften zwischen
wachstumsstarken BigTechs bzw. FinTechs und dem Finanzdienstleistungssektor.
Seit 2010 befindet sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei FinTech-Unternehmen
kontinuierlich im Aufwind, sodass die Werte inzwischen mindestens dem Doppelten
des KGV von Finanzdienstleistern entsprechen. Bei Banken ist das KGV von 14 auf
11 gesunken, bei Versicherungstiteln wird die Lücke noch grösser. An reifen
Märkten hat das niedrige Zinsniveau bereits zu zyklisch bedingten
Umsatzrückgängen geführt, die weitreichendere Folgen haben als jede digitale
Störung. Nach Schätzungen von Oliver Wyman sind 75 Prozent des Wertverfalls im
europäischen Bankensektor auf makroökonomische Faktoren und die Regulierung
zurückzuführen und lediglich 25 Prozent auf FinTechs und neue Wettbewerber am
Markt.
Vor dem Hintergrund geringen Umsatzwachstums und zunehmend schlechter
makroökonomischer Rahmenbedingungen besteht angesichts des wachsenden
Wettbewerbsdrucks aus Richtung von FinTechs und Technologieunternehmen nach wie
vor eine dringende Notwendigkeit, in Transformation zu investieren. Das Tempo,
mit dem neue Finanzdienstleistungslösungen auf den Markt gebracht werden, nimmt
zu. Entsprechend wächst auch die Bedrohung durch Technologieunternehmen eher,
als dass sie nachlässt.
Ein weiterer Abschwung könnte schwerwiegende Auswirkungen auf die zur Verfügung
stehenden Investitionsmittel haben. Die grossen Rezessionen und Finanzkrisen der
letzten 30 Jahre sind bei Banken jedes Mal mit Umsatzverlusten innerhalb eines
Jahres zwischen 10 und 50 Prozent einhergegangen, was weit über den 5 Prozent
liegt, die durchschnittlich für Transformationsprogramme ausgegeben werden.
Wenn Vision und wirtschaftlicher Nutzen aufeinandertreffen
In der Finanzdienstleistungsbranche wird der Konflikt zwischen den beiden
gegenläufigen Ansätzen Vision und wirtschaftlicher Nutzen immer ausgeprägter.
Einige Unternehmen setzen verstärkt auf ihren visionären Ansatz und haben enorme
Summen in Innovation und Transformationsprogramme investiert. Was die
Gewinnseite anbelangt, bleiben die Ergebnisse jedoch in vielen Fällen hinter den
Erwartungen zurück. Unternehmen mit schwerpunktmässiger Ausrichtung auf den
wirtschaftlichen Nutzen haben unzählige kleine Veränderungen vorgenommen, die
zwar für Aufmerksamkeit gesorgt, jedoch häufig kaum Wirkung gezeigt haben.
Um auf kurze und lange Sicht erfolgreich zu sein, werden Unternehmen auf eine
Kombination aus Vision und wirtschaftlichen Nutzen setzen müssen. Zum
gegenwärtigen Zeitpunkt haben die Unternehmen damit zu kämpfen, Investitionen in
die Bereiche mit strategischer Priorität zu lenken. Stattdessen fliessen noch
immer fast 50 Prozent der für die Transformation vorgesehenen Mittel in die
Einhaltung obligatorischer regulatorischer Anforderungen. Der allzu lockere
Führungsansatz bei der Umsetzung digitaler Programme wird nicht lange Bestand
haben. An seine Stelle wird ein disziplinierterer, interventionistischer Ansatz
treten.
Nach Ansicht von Oliver Wyman sind fünf Aspekte entscheidend, um Vision und
wirtschaftlichen Nutzen in Einklang zu bringen:
1) Unternehmen müssen ein hohes Mass an Disziplin wahren und
dürfen sich nicht dazu hinreissen lassen, in
Copycat-Technologien zu investieren, die für manche, aber eben
nicht für alle Unternehmen funktionieren
2) Sie müssen sich auf eine kleinere Anzahl an Initiativen mit
guter Mittelausstattung konzentrieren
3) Es muss Klarheit bezüglich der von einem Investment in neue
Technologie zu erwartenden Produktivitätssteigerungen herrschen
4) Die Tools zur Bewertung und Steuerung von Veränderungen müssen
besser werden
5) Die externe Kommunikation muss verbessert werden, damit Anleger
leichter nachvollziehen können, welche Faktoren die Entwicklung
beeinflussen, und die Möglichkeit bekommen, die Fortschritte
langfristiger Veränderungen zu verfolgen.
"Für den Erfolg eines Unternehmens wird die richtige Mischung aus Vision und
wirtschaftlichem Nutzen entscheidend sein, doch viele Unternehmen werden hieran
scheitern", lautet das Fazit von Robert Buess, Bankenexperte und Partner bei
Oliver Wyman in der Schweiz. "Jedes Unternehmen muss für sich das richtige
bestimmen und sich auf eine Strategie für die Zukunft festlegen - und das
möglichst unbeeindruckt von der wachsenden Bedrohung durch BigTechs, der Gefahr
einer Rezession und der zunehmenden Ungeduld der Anleger."
Pressekontakt:
Davina Zenz-Spitzweg
Communications Manager DACH
Oliver Wyman GmbH
davina.zenz-spitzweg@oliverwyman.com
Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/66435/4495306
OTS: Oliver Wyman
Original-Content von: Oliver Wyman, übermittelt durch news aktuell
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