Kenntnis des Klägers unerheblich - OLG Oldenburg mit bahnbrechendem Urteil pro Verbraucher
Geschrieben am 23-01-2020 |
Köln (ots) - Das Oberlandesgericht Oldenburg hat entschieden, dass Volkswagen
Schadensersatz an den Käufer eines mit der unzulässigen Motorsteuerungssoftware
ausgestatteten VW Caddys leisten muss. Das Besondere: Die etwaige Kenntnis des
Käufers in puncto der illegalen Abschalteinrichtung spielt für das OLG keine
Rolle, VW muss dennoch haften. Der Anwalt des Klägers, Prof. Marco Rogert,
spricht von einem richtungsweisenden Urteil für die Verbraucher, da mehrere
hunderttausend Betroffene nun ebenfalls Schadensersatz von VW verlangen könnten.
Bislang entschieden alle OLGs in Deutschland zugunsten der Volkswagen AG - mit
diesem Urteil stellt sich nun eine komplett neue Sachlage dar.
Der 16. Januar 2020 ist ein höchst erfolgreicher Tag für den Verbraucherschutz.
An diesem Datum sprach das Oberlandesgericht Oldenburg Recht zugunsten der
Verbraucher, wovon künftig Hunderttausende profitieren könnten. Laut OLG
Oldenburg hat die Kenntnis des Käufers hinsichtlich der illegalen
Abschalteinrichtung keinen Einfluss auf die Haftung des Autoherstellers. Nun
können zahlreiche Käufer unzulässig in Verkehr gebrachter Dieselfahrzeuge
Hoffnung schöpfen, dass ihnen ebenfalls Recht gesprochen wird.
In dem Verfahren ging es um einen VW Caddy, den der Kläger im Februar 2016
erworben hatte, also fünf Monate nach allgemeiner Kenntnisnahme des sogenannten
Abgasskandals. (Aktenzeichen: 14 U 166/19 OLG Oldenburg). Der Kläger aus
Niedersachsen verlangte von Volkswagen Schadensersatz. Der Senat gab der Klage
statt und verurteile den Wolfsburger Autokonzern auf Zahlung des Kaufpreises
abzüglich einer Nutzungsentschädigung.
Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung
VW hat laut Gericht den Tatbestand der vorsätzlich sittenwidrigen Handlung
erfüllt, indem das Unternehmen den Motor des Typs EA 189 mit der verbotenen
Abschaltautomatik konzipiert, gebaut und das mit diesem Motor ausgestattete
Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat. Der dem Verbraucher entstandene Schaden
liegt im Abschluss eines ungewollten Vertrages. Der Autohersteller hat die
Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt. Diese
Gesinnung sowie die Inkaufnahme der mit dem erhöhten Stickoxid-Ausstoß
riskierten Umwelt- und Gesundheitsschäden lassen das Verhalten VWs insgesamt
sittenwidrig erscheinen.
Auf diese Sachlage hat auch die Ad-Hoc Mitteilung des Konzerns vom Herbst 2015
keine Auswirkung. Denn nachträgliche Änderungen wie die aufklärende Maßnahme der
Ad-Hoc Mitteilung haben auf die zivilrechtliche Haftung des Konzerns keinen
Einfluss, wenn der Schaden dennoch eintrete. Das Gericht argumentiert, dass
analog zum Strafrecht es nicht angemessen sei, bei einem beendeten Versuch
Rücktrittsbemühungen des Täters mit Straflosigkeit zu belohnen, wenn sie im
Ergebnis ohne Erfolg bleiben und die "Tat" dennoch vollendet wird. Dass das
Risiko der gegebenenfalls den Einzelnen nicht erreichten Aufklärungsmaßnahme der
VW AG dem geschädigten Käufer angelastet wird, erscheint laut Gericht nicht
sachgerecht.
Anspruch auf deliktische Zinsen
Zusätzlich erhält der Kläger 4 Prozent Deliktzinsen auf den Bruttokaufpreis
minus der Nutzungsentschädigung ab dem 9. Februar 2016. Dem Käufer des VW Caddys
stehen laut Gericht die Zinsen zu, denn nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes kann derjenige, dem Geld deliktisch entzogen worden ist, die
Verzinsung des Betrages ab dem Zeitpunkt verlangen, zu dem ihm der Betrag
entzogen worden ist.
Prof. Rogert erklärt: "Die Karten für Käufer betroffener Fahrzeuge, deren Erwerb
nach der Pressekonferenz von Prof. Winterkorn im September 2015 stattfand,
werden komplett neu gemischt. Aber auch für alle anderen zeigt sich, dass durch
die zugesprochenen Zinsen ein attraktiver Schadenersatz realisieren lässt. Wir
freuen uns, dass wir unsere Vorreiterrolle wieder einmal bestätigen können und
bleiben für die Betrugsopfer am Ball."
Über Rogert & Ulbrich
Die Rechtsanwaltskanzlei Rogert & Ulbrich ist eine renommierte
Wirtschaftskanzlei mit besonderer Expertise im Verbraucherschutz. Die
Wirtschaftskanzlei hat sich im Abgasskandal als erfolgreiche Sozietät einen
Namen gemacht. Die Rechtsanwälte beraten und vertreten bundesweit geschädigte
Fahrzeugkäufer - darunter Einzelpersonen, Unternehmen und Kommunen. Im Rahmen
der R|U|S|S Litigation vertreten die Rechtsanwälte Professor Dr. Marco Rogert
und Tobias Ulbrich die Interessen des Bundesverbands der Verbraucherzentralen
(vzbv) in der Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG. Mehrere hundert
Urteile wurden bislang gegen Automobilkonzerne erfolgreich bestritten. Weitere
Schwerpunkte der Verbraucherschutzkanzlei sind Umweltschutz, Transport- und
Logistikrecht sowie Finanzen. Aufgrund seiner Ausbildung im internationalen
Privatrecht und seinen niederländischen Sprachkenntnissen ist Gründungspartner
Professor Dr. Rogert die erste Adresse bei Rechtsfragen im
deutsch-niederländischen Kontext.
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