Tödlicher Pflegenotstand / Kommentar von Susanne Leinemann zum Personalmangel in der Charité
Geschrieben am 06-02-2020 |
Berlin (ots) - Ein krebskrankes Kind ist gestorben - womöglich auch, weil in der
entscheidenden Nacht das Klinikbett auf der Spezialstation gefehlt hat. Zu wenig
Personal. Noch sind die Umstände unklar, doch dass das Kinderkrebszentrum der
Charité schon seit einiger Zeit massiv unter dem Pflegenotstand leidet, ist
länger bekannt. Im Dezember 2019 verfügte die Kinderonkologie für knapp zwei
Wochen einen Aufnahmestopp für die kleinen Patienten. Warum? Von 50
Pflegestellen waren zehn unbesetzt, dazu kam ein erhöhter Krankenstand. "Es wäre
fahrlässig gewesen, in solcher Situation dennoch Patienten aufzunehmen, ohne sie
adäquat versorgen zu können", erklärte der Personalratschef der Charité, Jörg
Pawlowski. Aber nun zeigt sich mit dieser Tragödie möglicherweise: Es ist
genauso fahrlässig, die Patienten nicht aufzunehmen.
Wir vertrauen unseren Kliniken, dass sie - zumindest wenn es ernst wird - für
uns da sind. Doch wer zuletzt mal auf einer Kinderstation war, der erlebte
eindringliche Szenen: Jedes Bett ist gefüllt, womöglich wird noch ein Zusatzbett
an die Flurwand geschoben, damit ein weiterer Patient hineinpasst. Die
Pflegekräfte hetzen von einem Fall zum nächsten. Werden die Fälle komplexer,
dann bleibt kaum mehr Zeit. Da kann einem Angst und Bange werden.
"Das deutsche Gesundheitssystem hat ein ernsthaftes Problem", sagt Steffen
Krach, Berlines Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung. Personalmangel
sei nicht nur ein Thema in der Hauptstadt, sondern bundesweit. Die Charité und
ihre Mitarbeiter leisteten hervorragende Arbeit, trotz des Mangels. Doch dann
wird er deutlich: "Die Klinik muss gewährleisten, dass so drastische Situationen
wie ein temporärer Aufnahmestopp in der Kinderonkologie im Dezember 2019 nicht
mehr vorkommen." Der neue Charité-Chef Heyo Kroemer hat einen schweren Einstand
- in diesen schwierigen Zeiten.
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