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NDR, WDR, SZ: Verdacht gegen Deutschlands größten Radiologen

Geschrieben am 13-02-2020

Hamburg (ots) -

Sperrfrist: 13.02.2020 17:00
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.

Der Gründer des Radiologen-Netzwerks Med 360° AG, Winfried Leßmann, steht im
Verdacht, sich unrechtmäßig an Kontrastmitteln bereichert zu haben. Nach
Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hat er jahrelang
Kontrastmittel-Rezepte an seine Ehefrau weitergeleitet. Sie verdiente damit
Millionen. Die Krankenkasse KKH hat nun Strafanzeige erstattet. Sie sieht einen
Anfangsverdacht für Betrug und Korruption.

Zu der Med 360° gehören Arztpraxen und Kliniken in mehr als zwanzig deutschen
Städten. Nach eigenen Angaben behandeln angestellten Ärzte dort mehr als 700.000
Patientinnen und Patienten im Jahr, überwiegend in Nordrhein-Westfalen, aber
auch in Bayern und Baden-Württemberg.

Winfried Leßmann hält sein Vorgehen für legal. In einem Interview mit dem
ARD-Magazin "Panorama" sagte er, dass die Kontrastmittel-Rezepte seiner Med 360°
"bis Ende 2016" an die Firma seiner Frau flossen. Sie konnte als Großhändlerin
die Mittel bei Pharmafirmen günstig einkaufen und bei den Kassen zum Listenpreis
abrechnen. Nach firmeninternen Dokumenten, die NDR, WDR und SZ vorliegen,
konnten Händler in der Zeit vor 2016 zum Beispiel das häufig verwendet
MRT-Kontrastmittel Dotarem für 1000 Euro pro Liter vom Hersteller Guerbet
bekommen, während die Krankenkassen ihnen dafür 6000 Euro pro Liter erstatteten.

In den Jahren 2012 bis 2016 machte die Firma von Leßmanns Ehefrau Dagmar
Diwo-Leßmann im Schnitt einen Gewinn von drei Millionen Euro im Jahr - bei
gerade mal drei Mitarbeitern. Wie hoch dabei der Anteil an dem
Kontrastmittelgeschäft war, hat Diwo-Leßmann, die auch Geschäftsführerin der
Firma ist, auf Anfrage nicht beantwortet. Stattdessen antwortete im Auftrag
ihrer Firma Radiomed ein Rechtsanwalt und teilte mit, dass jedes "namentliche
Anprangern unserer Mandantin rechtswidrig" wäre. "Sollten Sie in Ihrem geplanten
Bericht den Eindruck erwecken, zwischen unserer Mandantin und der Med 360° AG
habe es geschäftliche Vorgänge gegeben, die rechtlich nicht einwandfrei gewesen
seien, behalten wir uns schon jetzt alle Ansprüche, einschließlich des Anspruchs
auf Schadensersatz vor", teilt der Anwalt weiter mit.

Juristen bezweifeln die Position der Leßmanns jedoch. So hält es die
Chefermittlerin der Krankenkasse KKH, Dina Michels, für "hochproblematisch",
wenn ein Arzt seine Rezepte an einen Großhändler gibt, hinter dem seine Frau
steht. "Die Ärzte sollen ja nicht an ihren eigenen Verordnungen verdienen. Und
wenn sie dieses Geschäft über die Ehefrau machen, dann verdienen sie über diese
Verbindung eben doch wieder an den eigenen Verordnungen."

Leßmann hingegen sagt, dass er selbst schon seit zwanzig Jahren keine eigenen
Verordnungen mehr ausstellt, sondern seine angestellten Ärzte, die frei seien in
der Auswahl der Kontrastmittel. Das Argument hält die KKH-Chefermittlerin aber
nicht für stichhaltig. "Wenn die Ärzte, die die Verordnung unterschreiben, seine
angestellten Ärzte sind, dann ist diese Verordnung auch immer Dr. Leßmann
zuzuordnen", sagt Michels. Auch der ehemalige Vorsitzende Richter am
Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sieht das so: "Die Umgehung wird nicht
dadurch aufgehoben, dass andere die Rezepte unterschrieben haben. Es geht ja
darum, wer die Rezepte auf welche Weise einlöst."

Vor vier Jahren hat das Landgericht Hamburg im so genannten Hanserad-Prozess
einen Großhändler verurteilt, der die Gewinne aus dem Kontrastmittelgeschäft dem
Arzt zukommen ließ, der ihm die Rezepte gegeben hat. Und im Jahr 2017 stellte
der Bundesgerichtshof in einem Urteil fest, dass ein Großhändler einen Arzt
"nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der
Verordnung von Kontrastmitteln beteiligen darf".

Die regional für Leßmann zuständige AOK Rheinland/Hamburg wollte auf Anfrage
weder beantworten, wie viel Geld sie in den Jahren 2012 bis 2016 an die
Großhandelsfirma von Frau Leßmann gezahlt hat, noch wollte sie mitteilen, ob sie
jemals geprüft hat, wer hinter der Firma steckt.

Die Firma Guerbet hat Fragen zu den Kontrastmittellieferungen an Radiomed und
den Konditionen nicht beantwortet. Mehr zum Thema heute Abend in "Panorama" um
21.45 Uhr im Ersten. Weitere Informationen unter www.DasErste.de/panorama

Pressekontakt:

Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralf Plessmann
Tel.: 040 / 4156-2333
Mail: r.plessmann@ndr.de
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/69086/4519801
OTS: NDR / Das Erste

Original-Content von: NDR / Das Erste, übermittelt durch news aktuell


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