Weichenstellung / Kommentar zur Bahnindustrie von Michael Flämig
Geschrieben am 17-02-2020 |
Frankfurt (ots) - Die globale Bahnindustrie hat schon viele misslungene
Koppelungsmanöver erlebt. Im Jahr 2017 wollte Siemensihr Zuggeschäft mit
Bombardier zusammenspannen, zwei Jahre später stoppte erst die EU-Kommission
eine Kombination mit Alstom, und nun haben Alstom und Bombardiereine Verbindung
ihrer Aktivitäten besiegelt. Was bedeutet dies für Siemens?
Die Münchner dürften das Geschehen aufmerksam, jedoch unaufgeregt verfolgen.
Noch ist nicht klar, ob eine dominierende Nummer 2 der Branche hinter dem
chinesischen Primus CRRC entsteht. Auch wenn Alstom und Bombardier handelseinig
wurden, kann das Votum der Wettbewerbshüter auch dieses Projekt noch zum
Stillstand bringen. Schließlich kommt das Duo in spe auf hohe Marktanteile in
einigen Regionen (wie in Frankreich) und in wichtigen Sparten (wie dem
Regionalverkehr). Das letzte Wort hat mit Margrethe Vestager jene
EU-Wettbewerbskommissarin, die Siemens/Alstom ausgebremst hatte. Ihre Prüfung
wird hart werden.
Dies bedeutet nicht, dass das Ziel für Alstom unerreichbar ist. Die Franzosen
haben vor einem Jahr gelernt, mit welchen Zugeständnissen in Brüssel gepunktet
wird. Doch ein Erfolg des Duos müsste Siemens nicht in Schockstarre versetzen.
Die Partner hätten nicht nur eine Fusion zu bewältigen, sondern vor allen Dingen
die Qualitätsprobleme von Bombardier in den Griff zu kriegen. Dieser Weg kann
lang werden. Effizienzgewinne müssten gehoben werden, doch diese Aufgabe wird
erschwert durch den Fabrikationsschwerpunkt in Deutschland - die IG Metall macht
bereits mobil.
Siemens als dritter großer westlicher Bahntechnik-Hersteller kann trotzdem nicht
die Hände in den Schoß legen. Unverändert verlangt die Digitalisierung nach
hohen Investitionen, die nur ein Multi gut stemmen kann. Außerdem gilt es dem
Champion aus China Paroli zu bieten.
Die institutionellen Investoren hatten auf der Hauptversammlung deutlich
gemacht, dass sie Handlungsbedarf für die Mobility-Sparte sehen. Eine gemeinsame
Klammer mit dem übrigen Geschäft gibt es aus ihrer Sicht kaum. Dies könnte die
neu zu formierende Siemens-Spitze anders sehen. Wenn man glaubt, das
Projektgeschäft im Griff zu haben, ließe sich Bahntechnik sehr wohl als
Infrastrukturaufgabe und damit als Kerngeschäft definieren. Es locken, bei guter
Positionierung im Konsolidierungsspiel, ansehnliche Margen.
Siemens hatte schon im November ein Update über die Bahn-Strategie für das
Frühjahr angekündigt. Die Ungewissheit für die Sparte dauert schon lange an. Nun
müssen die Weichen gestellt werden - so oder so.
(Börsen-Zeitung, 18.02.2020)
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