Fehlstart der Schwellenländer / Kommentar zu den Währungsfolgen des Coronavirus von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 21-02-2020 |
Frankfurt (ots) - Hoffnungen auf eine überdurchschnittliche Performance von
Emerging-Market-Assets in diesem Jahr haben sich bis auf Weiteres zerschlagen.
Nach einem festeren Jahresbeginn stehen die Währungen der Schwellenländer seit
Mitte Januar, als die Ausbreitung des Coronavirus begann, die Finanzmärkte zu
verunsichern, unter Druck. Der MSCI-Sammelindex der Emerging-Market-Währungen
ist seither um bis zu 2,3% gesunken. Für die Aktienmärkte der Schwellenländer
hat dies zur Folge, dass sich ihre Underperformance fortsetzt. Ihr auf Dollar
lautender MSCI-Sammelindex hat seit Jahresbeginn 1,7% abgegeben, während sein
Industrieländerpendant um 2,6% zugelegt hat.
Der Fehlstart der aufstrebenden Märkte hat eine zentrale Ursache. Die
Coronavirus-Epidemie sorgt für erhebliche Verunsicherung unter den
Marktteilnehmern, die auch am Höhenflug des Goldpreises erkennbar ist. Durch die
von ihr ausgelösten ökonomischen Verwerfungen, deren Ausmaße derzeit noch nicht
abgesehen werden können, droht eine Wiederholung der bösen Überraschung des
Jahres 2019. Anstatt sich wie erhofft leicht zu beschleunigen, ist das globale
Wachstum deutlich gesunken - und die Wahrscheinlichkeit, dass es 2020 weiter
abbröckelt, gestiegen. Verunsicherung bzw. die damit einhergehende verstärkte
Risikoscheu der Marktteilnehmer ist Gift für eine Asset-Klasse, die so stark von
Kapitalzuflüssen aus den Industrienationen lebt wie die Emerging Markets.
Gewinner der Entwicklung ist neben den "klassischen" Safe-Haven-Währungen wie
dem Schweizer Franken der Dollar, in den sich die Anleger in Krisensituationen
gerne zurückziehen. Das war etwa während der Euro-Staatsschuldenkrise der Fall
und auch zur Zeit des Lehman-Desasters, obwohl in diesem Fall die USA
Verursacher bzw. Epizentrum der Krise waren. Die Dollar-Stärke bekommen nicht
nur Schwellenländerwährungen zu spüren, sondern auch der Euro, der auf den
niedrigsten Stand seit drei Jahren gesunken ist.
Die Schwellenländer sind allerdings eine heterogene Gruppe mit großen
ökonomischen und wirtschaftspolitischen Unterschieden. Sie allein als Opfer des
Coronavirus bzw. der erhöhten Risikoaversion zu sehen, würde zu kurz greifen. In
vielen Fällen leiden ihre Währungen auch an selbstverschuldeten bzw.
hausgemachten Problemen und Fehlentwicklungen. Paradebeispiel dafür ist
Argentinien.
Das Land steht kurz davor, seinem "Track Record" als notorischer Pleitier eine
neue Episode hinzuzufügen. Doch neben diesem üblichen Verdächtigen und dem von
Unruhen erschütterten ehemaligen Musterknaben Chile gerät auch der große Nachbar
Brasilien, der vor nicht allzu langer Zeit als ökonomischer Hoffnungsträger
Lateinamerikas galt, in Bedrängnis. Die brasilianische Währung hat seit Beginn
des Jahres 8% eingebüßt und am Freitag bei 4,41 Dollar pro Real ein Rekordtief
erreicht. Dazu beigetragen haben die Sorgen über China, da mehr als ein Viertel
der Ausfuhren Brasiliens auf das Land entfallen. Jedoch sind auch die Hoffnungen
auf durchgreifende Reformen von Präsident Jair Bolsonaro inzwischen der
Ernüchterung gewichen, nachdem der Reformeifer des Rechtspopulisten deutlich
nachgelassen hat.
Die Liste der "Sünder" unter den Schwellenländern ist zu lang, um hier
abgehandelt zu werden. Daher nur eine Auswahl weiterer Staaten. Die türkische
Währung ist am Freitag auf ein Neunmonatstief von 6,12 Lira pro Dollar gesunken.
Neben den sich verstärkenden Spannungen im Verhältnis zur syrischen Regierung
wegen der Offensive in der Idlib-Region wird der Druck dadurch verstärkt, dass
die Notenbank des Landes nicht mehr unabhängig ist und seit dem zurückliegenden
Jahr ihren Leitzins auf Befehl des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan drastisch
gesenkt hat.
Unter Druck steht auch Südafrikas Währung, die kürzlich bei 15,19 Rand pro
Dollar den tiefsten Stand seit viereinhalb Monaten erreichte. Die Währung zählt
zu denen, die am stärksten negativ auf Risikoaversion reagieren, und auch die
von der Corona-Epidemie ausgehenden Sorgen über die Rohstoffnachfrage haben zu
ihrer Schwäche beigetragen. Hinzu kommen aber auch erhebliche interne Probleme
wie u.a. Korruption und die prekäre Lage der öffentlichen Finanzen. Das Wachstum
des Landes liegt am Boden, auch weil die staatliche, hoch verschuldete Eskom als
einziger zugelassener Versorger nicht mehr in der Lage ist, die Versorgung zu
gewährleisten. Infolgedessen kommen große Teile der Wirtschaft regelmäßig durch
Stromausfälle zum Erliegen.
(Börsen-Zeitung, 22.02.2020)
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