Das Gegengift fehlt/"Rassismus ist ein Gift", sagte die Kanzlerin. Die Häufung rechtsextremistischer Taten aber zeigt, dass es noch kein wirksames Mittel dagegen gibt. Von Jana Wolf
Geschrieben am 21-02-2020 |
Regensburg (ots) - Wir müssen reden. Nur: Wie kann man nach der schrecklichen
Terrortat von Hanau Worte finden? Neun Menschen mit Migrationshintergrund wurden
am späten Mittwochabend ermordet, bevor der Täter seiner Mutter und sich selbst
das Leben nahm. Elf Menschen. Im Angesicht dieses rassistischen,
rechtsextremistischen Mordens bleiben vor allem Sprachlosigkeit und Trauer. Ja,
auch das Schweigen darf und muss seinen Raum haben. Doch zugleich ist es unsere
Pflicht, diese Tat und ihre Ursachen klar zu benennen. Es ist ein mörderischer
Rassismus, der mitten in unserer Gesellschaft existiert und sich immer häufiger
Bahn bricht. "Rassismus ist ein Gift", sagte die Kanzlerin - zu Recht. Das
Gegengift aber fehlt. Dass bislang kein wirksames Mittel gegen diese Ideologie
gefunden ist, zeigt die Häufung und das dichte Aufeinanderfolgen solcher Taten.
Es ist die Dritte innerhalb von gerade einmal neun Monaten. Juni 2019, Kassel:
Ein Rechtsextremist schießt einem Politiker, der sich für Flüchtlinge engagiert
hatte, in den Kopf. Oktober 2019, Halle: Ein Rechtsextremist versucht
vergeblich, mit einer Waffe in eine Synagoge einzudringen, und ermordet dann
zwei Menschen nahe eines Döner-Ladens. Erst vergangene Woche wurden zwölf
Rechtsterroristen verhaftet, die Anschläge auf Moscheen geplant haben sollen.
Und jetzt Hanau. So unterschiedlich die Täter auch sind, verbindet sie doch ein
brandgefährliches Gedankengut: Sie reden vom vermeintlichen "Volkstod" und
"Bevölkerungsaustausch", der Deutsche mit Ausländern ersetzen wolle. Sie sind
tief überzeugt von der Überlegenheit der eigenen "Rasse" und betrachten Menschen
anderer Herkunft als minderwertig und als Bedrohung. Dabei sind sie selbst die
eigentliche Gefahr, denn aus ihren Gedanken werden immer öfter Taten. Mit jeder
Tat sinkt die Hemmschwelle in eben diesen Kreisen, auch zum Äußersten zu gehen.
Es sind eben jene Ideologien, die auch der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn
Höcke und Seinesgleichen in Reden und Schriften von sich geben. Nicht alle in
der AfD sind Rechtsextreme. Aber jeder, der dieser Partei angehört oder sie
unterstützt, billigt dieses Gedankengut. Wenn AfD-Chef Alexander Gauland betont,
dass Höcke in der Mitte der AfD stehe, sagt er zugleich auch, dass Rassismus und
Rechtsextremismus dort ihren festen Platz haben. Das muss klar benannt werden,
darüber muss geredet werden. Geredet wurde seit der Hanauer Tatnacht bereits
viel - doch zu vieles davon sind reflexhafte Floskeln, faule Verharmlosung und
Ablenkung von Fakten. Warum etwa verweist Sigmar Gabriel (SPD) im Angesicht von
offenkundig rechtem Terror auf linke Gewalt? Und warum spricht Julia Klöckner
(CDU) davon, in den Shisha-Bars sei "wahllos" geschossen worden? Zu lesen war in
diesen Tagen auch, die Terrortat sei ein Angriff gegen uns alle, gegen unsere
freiheitliche Gesellschaft. Nein, das war sie nicht! All solche Äußerungen sind
zynisch und werden der Schwere der Tat nicht gerecht. Fest steht: In Hanau
wurden gezielt Menschen mit Migrationshintergrund zum Opfer. Die Motive waren
rassistische und rechtsextremistische. Wir müssen das benennen. Wir müssen
zuhören. Viele Reaktionen von Menschen, die selbst einen Migrationshintergrund
haben, zeigen - neben großer Trauer und Wut - auch Ernüchterung. Manche fühlen
sich in ihrer Unsicherheit und Angst, nicht sicher zu sein, bestätigt. Manche
kritisieren, dass gewaltbereiter Rassismus zu häufig als Fremdenfeindlichkeit
abgetan und damit Menschen mit dunkler Haut und dunklen Haaren pauschal als
"Fremde" stigmatisiert werden. Es ist ein zutiefst trauriger Befund, wenn sich
diese Menschen nicht als fester Teil unserer Gesellschaft fühlen können. Das
Gift des Rassismus ist schon jetzt zu tief gesickert.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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