Kommentar / Europa hat fünf Jahre vertan = Von Gregor Mayntz
Geschrieben am 02-03-2020 |
Düsseldorf (ots) - Die Bilder suggerieren eine Wiederholung: Wie im Herbst 2015
laufen im März 2020 Tausende Flüchtlinge durch Südeuropa in der Erwartung, in
Deutschland anzukommen. Wie 2015 richten sich viele ihrer Hoffnungen auf Angela
Merkel, die ihnen aus Schmutz, Kälte, Lebensgefahr heraushelfen möge. Es gibt
jedoch Unterschiede: Damals gab es noch kein EU-Türkei-Abkommen, heute weiß
keiner, ob und wann sich Ankara wieder daran halten will. Damals war Deutschland
auf einen Massenansturm nicht vorbereitet, heute gibt es reichlich Reserven, vor
allem aber eine deutlich gestärkte EU-Grenzschutzpolizei.
Und doch ist eines gleich: Die EU kümmert sich nicht um ihre Nachbarschaft und
bekommt die Folgen nun wieder zu spüren. Vier Jahre tobte seinerzeit schon der
Bürgerkrieg in Syrien, hatte Millionen in die Flucht getrieben. Weitere fünf
Jahre später dauert das Zuschauen an, werden die Zahlen jener Menschen
registriert, die vor den syrischen und russischen Angriffen Schutz suchen.
In der Vergangenheit übte die Ordnungsmacht USA mit ihrer wirtschaftlichen und
militärischen Kraft politischen Druck auf Verständigungslösungen aus. Sowohl
wirtschaftlich als auch militärisch würde ein einiges Europa den USA kaum
nachstehen und wäre politisch in der Lage, die Ursachen der Flucht aus der Welt
zu schaffen. Die EU-Verantwortlichen reagieren zwar jetzt eiligst auf die
türkische Herausforderung der Grenzöffnung. Aber es spricht Bände, wie sie es
tun. Sie bringen nicht das Gewicht von 500 Millionen Bürgern und der größten
Wirtschaftsmacht ein, um den Bürgerkrieg zu beenden. Sie reisen stattdessen an
die griechisch-türkische Grenze, um sich aus nächster Nähe das Chaos
anzuschauen, das sie in den letzten fünf Jahren hätten verhindern müssen.
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