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Auch Immobilien werden nicht immun bleiben - Deutscher Investmentmarkt zum Ende des ersten Quartals von Pandemie noch unbeeindruckt

Geschrieben am 06-04-2020

Frankfurt (ots) - Noch vor wenigen Wochen sprachen alle Marktteilnehmer von einer Fortsetzung des Immobilienbooms. Das war vor Corona. Mittlerweile alles Schall und Rauch. Eine Rückkehr zur Normalität, die sich nach der Pandemie neu finden muss, braucht Geduld und Zeit. Bereits nach nur einer Woche des "deutschen Lockdowns" werden jedoch Rufe nach einer Lockerung der Maßnahmen laut. Denn fast alle Wirtschaftsbereiche beklagen massive Einschnitte. "Fakt ist, die Rezession wird kommen. Und im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/2009 ist dieses Mal auch die Realwirtschaft signifikant betroffen. Wie lange wird das gehen? Kaum zu prognostizieren. Hierüber werden erst die nächsten Wochen und Monate Auskunft geben können, wenn alle Auswirkungen der Pandemie ersichtlich und die staatlichen Hilfspakete angelaufen sind", so Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Helge Scheunemann weiter: "Die weltweit angelaufenen Unterstützungspakete der Politik und der Zentralbanken werden zweifellos ihre Wirkung entfalten und helfen, Liquidität und Kapitalverkehr aufrecht zu erhalten. Diese Geldschwemme mag für die aktuelle Linderung der Krise alternativlos sein, langfristig sind die Folgen für Investoren und Kapitalgeber indes gar nicht absehbar. Zumindest steht zu befürchten, dass die Inflationsgefahren langfristig deutlich zunehmen."

Während die amerikanische Notenbank in den letzten zwei Wochen Wertpapiere im Volumen von einer Billion Dollar erworben hat und in Sachen ihrer "Whatever it Takes-Maßnahmen" wieder voranprescht, hat nun auch die Europäische Zentralbank (EZB) zusätzlich zu den bereits laufenden Anleiheankäufen in einem Volumen von 360 Mrd. Euro weitere rund 750 Mrd. Euro in die Märkte gepumpt. "Ob damit aber ein halbwegs funktionierender Markt am Laufen gehalten werden kann, ist zweifelhaft. Zwar bleibt damit das niedrige Zinsniveau wahrscheinlich für viele weitere Jahre fest zementiert, ob die Banken aber bereit sind, in einem derzeit so unsicheren Umfeld Fremdfinanzierungen im üblichen Volumen auszureichen, darf zumindest angezweifelt werden. Mehr denn je steigt die Bedeutung eines ausreichenden Eigenkapitalanteils. Vor allem für Investoren, deren Fremdfinanzierungsquote 50 bis 60 Prozent nicht übersteigt, könnten sich im weiteren Zeitverlauf interessante Investitionsmöglichkeiten ergeben. Dabei werden wir bestimmt auch einige Investoren asiatischer Herkunft sehen, die auf solche Gelegenheiten warten", erklärt der JLL-Research-Chef.

Transaktionsvolumen* im ersten Quartal 2020 noch überhaupt nicht beeinflusst

In den ersten drei Monaten des Jahres haben sich die Auswirkungen der Covid-19 Krise noch nicht bemerkbar gemacht. Zahlreiche Prozesse und Transaktionen waren bereits angeschoben oder befanden sich im Endstadium der Verhandlungen, so dass ein "Deal freeze" oder ein Einbruch im Investmentmarkt zumindest in den Zahlen noch nicht ersichtlich wird. "Gleichwohl dürfte der März dennoch eine Zäsur bedeuten und die Auswirkungen werden sich wahrscheinlich dann zum Ende des zweiten Quartals zeigen", vermutet Scheunemann.

Normalerweise würde man an dieser Stelle von einem Rekord berichten. Denn zahlenmäßig lag das gesamtdeutsche Transaktionsvolumen im ersten Quartal 2020 bei rund 28 Mrd. Euro (18,3 Mrd. Euro gewerblich genutzte Immobilien und 9,7 Mrd. Wohnungstransaktionen). Im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht dies einer exorbitanten Steigerung von 82 Prozent. Darin enthalten sind teilweise sehr großvolumige Unternehmensübernehmen und Beteiligungen (u.a. die fast 90%-ige Adler Beteiligung an Ado im Wohnungssektor oder die 77,8 %-ige Beteiligung von Aroundtown an der TLG), die sich insgesamt auf 11,3 Mrd. Euro summieren. Doch auch ohne diese indirekten Immobilientransaktionen wäre es rückblickend ein sehr starkes Quartal gewesen. Auch gab es immerhin über 20 direkte Einzelabschlüsse mit einem Volumen von jeweils über 100 Mio. Euro, überwiegend im Bürosektor.

"Eine Prognose für das Gesamtjahr kann aufgrund der derzeitigen Situation seriös nicht formuliert werden. Es lassen sich aber einige signifikante Beobachtungen jenseits aller negativer Erkenntnisse festhalten", betont Scheunemann:

- Es gibt nach wie vor eine Reihe institutioneller Investoren, die in Immobilen anlegen möchten

- Bei bestimmten Produkten, insbesondere bei Büroimmobilien, sehen wir nach wie vor eine Reihe an (hochpreisigen) Geboten

- Core Produkte werden in einer Krise besonders nachgefragt

Wie geht es weiter am deutschen Investmentmarkt? Die im Zuge des neu entwickelten JLL-Thermometers befragten Investoren/Eigentümer gehen mehrheitlich davon aus, dass das Transaktionsgeschehen auf dem Immobilieninvestmentmarkt in Deutschland an Dynamik verlieren wird. Aber immerhin geben 48 Prozent der Investoren an, dass sie an ihren Transaktionszielen für 2020 festhalten. Diese Auswertungen sind ein erstes Indiz für den weiteren Jahresverlauf, genauso wie die jüngst veröffentlichten Verlautbarungen zahlreicher institutioneller Investoren, weiterhin aktiv investieren zu wollen. Die wesentlichen Hinderungsgründe sind allerdings das Fehlen echter aktueller Marktwerte, in Verbindung mit nicht möglichen physischen Objektbesichtigungen, was die Preisfindung erschwert sowie die gestiegenen Restriktionen der Banken in Bezug auf das Ausreichen von Fremdkapital. "Gerade die auf persönliche Kontakte so stark ausgerichtete Immobilienbranche sehnt sich nach einer Lockerung der Kontaktbeschränkungen. Ob sich nämlich digitale Besichtigungen vollumfänglich durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Für Top Objekte ohne Renovierungs- oder Sanierungsstau mag dies noch am ehesten möglich und akzeptabel sein", meint Helge Scheunemann.

Insgesamt entfallen auf Einzeltransaktionen aktuell nur noch 39 Prozent des Gesamtvolumens (10,8 Mrd. Euro), hier musste gegenüber dem Vorjahr ein leichtes Minus konstatiert werden. Sehr deutlich zugelegt haben Portfolioverkäufe, unter anderem auch gepusht durch die erwähnten Unternehmensübernahmen. Ihr Quartalsergebnis liegt bei rund 17 Mrd. Euro, im Jahresvergleich ein Plus von über 300 Prozent.

Anteil der Büroimmobilien sinkt - Diversifizierung und Risikobewusstsein der Käufer steigt

Der Anteil der im ersten Quartal gehandelten Büroimmobilien liegt mit fast 18 Prozent zwar deutlich unter dem Jahreswert von 2019. Hier relativieren allerdings die als Mischnutzung eingestuften Mega-Unternehmensübernahmen das Bild. Dennoch flossen immerhin rund 5 Mrd. Euro in diese Assetklasse. Mehr als doppelt so viel Volumen wurde für die Assetklasse Living registriert. Insgesamt 10,7 Mrd. Euro bezahlten Investoren für Wohnportfolios, Studentenwohnheime, Mikroappartements oder Senioren- und Pflegeheime. "Auch wenn letztere aufgrund der derzeitigen Viruspandemie unter besonderer Beobachtung stehen, dürften Immobilien, die im weitesten Sinne etwas mit Gesundheit zu tun haben, zum Beispiel Medizinische Versorgungszentren, Ärztehäuser, künftig noch stärker in den Fokus der Investoren rücken", prognostiziert Helge Scheunemann.

Einzelhandelsgenutzte Immobilien kommen auf einen im Vergleich zum Vorjahr etwas erhöhten Anteil von 15 Prozent (rund 4 Mrd. Euro). Davon waren deutlich über die Hälfte Fachmärkte, Fachmarktzentren oder Supermärkte und Discounter. In Bezug auf die Anzahl der Transaktionen waren es sogar 80 Prozent. "Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, wie letztlich krisenresistent und wie wichtig die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist. Erste Ergebnisse lassen erkennen, dass die Händlererlöse in diesem Sektor derzeit stark wachsen. Davon profitieren auch die Immobilien. Sie werden im Jahresverlauf eine weitere entsprechende Nachfrage auf sich ziehen", betont der Research-Chef.

Logistikimmobilien kommen auf einen Anteil von rund 8 Prozent. Für diese Nutzungsart ergibt sich aktuell und im Rückblick auf die vergangenen drei Monate ein sehr gemischtes Bild. Auf der einen Seite reduzieren die von der Unterbrechung der globalen Handelsströme betroffenen Logistiker ihre Lager (Industrie, Automobil), auf der anderen Seite suchen Online-Händler und Unternehmen der Lebensmittelbranche händeringend kurzfristig verfügbare Lagerkapazitäten. So haben allein Edeka, Aldi und Rewe in den letzten Wochen neue Mietverträge im Volumen von rund 1 Mio. m² unterschrieben. Gesucht werden in erster Linie kleinere bis mittlere Hallenflächen am Rande der großen Städte und vor allem flexible Mietvertragskonditionen. Für die nächste Zeit bleibt abzuwarten, ob a) die positive Nutzernachfrage anhält und b) sich Investoren auch für solche Objekte als Anlageprodukt interessieren werden.

Die restlichen Nutzungsarten summieren sich auf rund 6 Mrd. Euro, wobei gemischt genutzte Objekte und Portfolios den weitaus größten Anteil auf sich vereinen (4,9 Mrd. Euro). Darin enthalten sind auch Hotelimmobilien, die aufgrund der massiven und anhaltenden Reisebeschränkungen eine der am schwersten betroffenen Assetklassen ist. "Das grundlegende Interesse von Investoren ist allerdings nach wie vorhanden, aufgrund der gestörten Cash Flows und der niedrigen Auslastungsraten ist eine Preisfindung allerdings derzeit fast nicht möglich und wird zumindest für die nächsten zwei Quartale anhalten", erklärt Scheunemann.

Unter den Big 7 warten München und Frankfurt mit einem deutlichen Plus auf

In der Aggregation über alle sieben Hochburgen hinweg entfallen rund 11,5 Mrd. Euro auf diese großen Märkte. Das ist ein Anteil von über 40 Prozent am gesamtdeutschen Transaktionsvolumen und entspricht einem Plus von 31 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. In München und Frankfurt legte das Volumen sehr deutlich um 125 Prozent auf knapp 1,5 Mrd. Euro bzw. um 117 Prozent auf rund 2,4 Mrd. Euro zu. Auch Hamburg und Düsseldorf lagen im Plus. In Berlin hat sich das Transaktionsvolumen auf hohem Niveau bestätigt, während in Köln und Stuttgart Rückgänge von 15 Prozent bzw. 44 Prozent zu verzeichnen waren.

Deutlich zugenommen hat im ersten Quartal auch das Transaktionsvolumen außerhalb der etablierten Märkte. Rund 16,5 Mrd. Euro wurden investiert, ein Plus im Jahresvergleich von 148 Prozent. Hauptgrund für diesen deutlichen Zuwachs ist die sehr heterogene regionale Verteilung der gehandelten Portfolios und Unternehmensübernahmen. Neben diesen Transaktionen gab es aber auch einige Einzel- und Portfoliotransaktionen im Bereich von 100 Mio. Euro, vor allem im Logistik- und Einzelhandelssegment. "Sollten die Investoren in den nächsten Wochen und Monaten eine eher defensivere Investitionsstrategie verfolgen, gehen wir davon aus, dass der Anteil der Transaktionen außerhalb der Core Märkte wieder an Dynamik verliert", so Helge Scheunemann.

Renditen bleiben in den meisten Assetklassen zunächst stabil

"Für die ersten drei Monate des Jahres beobachten wir in fast allen Assetklassen keine Veränderung bei den Renditen in allen Nutzungsarten. Ein gewisser Druck für bestimmten Asset- und Risikoklassen war zwar auch noch in den letzten drei Monaten zu spüren, aufgrund der Entwicklungen im März ist eine Preisfindung allerdings derzeit ungleich schwierig. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich realitätsnahe Preise herauskristallisieren", so der Researcher.

Mit einer über alle sieben Hochburgen hinweg gemittelten Büro-Spitzenrendite von 2,93 Prozent verharrt das Preisniveau aktuell noch auf einem hohen Niveau. Im 12-Monatsvergleich sind es damit 13 Basispunkte weniger.

Im stationären Einzelhandel bleiben die Renditen im Schnitt bei 2,84 Prozent. Mit Ladenschließungen und Verkaufsverboten gewinnt der schon lange im Gange befindliche Transformationsprozess nun nochmals an Dynamik. Der Onlinehandel gilt als Gewinner der Krise und gewinnt weitere Umsatzanteile, jetzt auch im Lebensmittelbereich. In diesem Sog profitieren aber auch Nahversorgungszentren (Supermärkte, Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker) und ziehen nach wie vor das Interesse der Investoren auf sich. Für Fachmärkte liegen die Renditen aktuell bei 5,00 Prozent und für Fachmarktzentren bei 4,20 Prozent. Nur bei Shopping Centern gab es eine Veränderung nach oben, die bereits in den Monaten vor Ausbruch der Krise zu beobachten war. Die Spitzenrenditen liegen nun bei 4,65 Prozent und damit 55 Basispunkte höher als noch vor 12 Monaten.

Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend sein, wohin die Renditen tendieren. Aktuell rechnen wir mit keinen signifikanten Verwerfungen oder Notverkäufen. Die in den letzten Jahren abgeschlossenen Finanzierungen sollten überwiegend sehr solide gewesen sein. Es wird aber auch für die Renditeentwicklung darauf ankommen, wie lange diese Krise anhält und wie tief die Spuren sind, die sie in der Realwirtschaft hinterlassen werden. Eine noch genauere objektspezifische Risikoeinschätzung insbesondere in Bezug auf die Mieterstruktur ist das Gebot der Stunde. Dabei wird es auch darauf ankommen, in welchem Umfang gewerbliche Mieter von der Möglichkeit einer Mietpreisstundung Gebrauch machen werden", so Helge Scheunemann abschließend.

* Das Transaktionsvolumen umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien, gemischt genutzte Immobilien sowie die Asset-Klasse Living mit Mehrfamilienhäusern und Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung, Verkauf von Unternehmensanteilen (ohne Börsengänge), Appartementhäuser, Studentenwohnen, Senioren-/Pflegeimmobilien und Kliniken

Pressekontakt:

Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, dorothea.koch@eu.jll.com

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62984/4565009
OTS: Jones Lang LaSalle SE (JLL)

Original-Content von: Jones Lang LaSalle SE (JLL), übermittelt durch news aktuell


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