(Registrieren)

Die Ärmsten trifft es am härtesten / Schon vor der Corona-Krise waren mehr als 1,5 Millionen Kinder auf Hartz IV angewiesen. Nun könnte die Zahl deutlich steigen. Leitartikel von Jana Wolf

Geschrieben am 07-04-2020

Regensburg (ots) - Vor zwei Monaten gab es eine traurige Nachricht: Mehr als 1,5 Millionen Kinder in Deutschland sind auf Hartz IV angewiesen und diese Zahl ist in den vergangenen drei Jahren kaum gesunken - trotz guter Konjunktur und robustem Arbeitsmarkt. Das hat der Deutsche Gewerkschaftsbund auf Basis von Arbeitsagentur-Daten ausgewertet. Vor zwei Monaten, da war die Welt noch eine andere. Corona noch ein ferner Begriff, die Krise und ihre Folgen unvorstellbar. Seitdem hat sich alles verändert, aber diese Zahl ist geblieben. Etwa jedes fünfte Kind in unserem Land ist von Armut bedroht. Und die Gefahr ist groß, dass es durch die aktuelle Lage deutlich mehr werden. So schätzt es auch das Deutsche Kinderhilfswerk ein. Die Corona-Krise trifft die Schwächsten in unserer Gesellschaft besonders hart. Die meisten dieser 1,5 Millionen betroffenen Kinder leben in einem Haushalt, in dem wenigstens ein Elternteil erwerbstätig ist - zumindest war das bei Bekanntgabe der Zahlen noch so. Doch heute brechen reihenweise Jobs und Aufträge weg. Die Geldnöte vieler Familien und besonders auch vieler Alleinerziehender wachsen. Hinzu kommt, dass Schulen, Kinderhorte und Tagesstätten geschlossen sind. Für viele Kinder aus ärmeren Verhältnissen fällt damit nicht nur das zweite Zuhause weg, sondern auch das warme Mittagessen. Nicht alle Eltern können es ersetzen, weil ihnen schlichtweg das Geld für die regelmäßigen Mahlzeiten fehlt. Diejenigen, die den Betroffenen eine wichtige Stütze sein können, arbeiten derzeit eingeschränkt oder unter erschwerten Bedingungen. Es sind die Kräfte in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Sie können zwar die finanziellen Nöte nicht unmittelbar auffangen. Aber sie bieten Hilfe bei Behördengängen und ein offenes Ohr bei Sorgen. Diese Hilfe und Zuwendung ist unerlässlich. Doch die aktuellen Kontaktverbote verhindern es eigentlich, dass Sozialarbeiter die betroffenen Kinder oder Familien zu Hause besuchen. Dass die Kinder- und Jugendhilfe als systemrelevant eingestuft wurde, ist ein gutes symbolisches Zeichen. Doch Symbole reichen in dieser Lage nicht. Diesen Fachkräften müssen auch unter Corona-Bedingungen persönlichen Kontakt halten können - besondern bei Familien mit großen Problemen und akuten Gefahren für die Kinder. All diese Probleme sind politisch erkannt, doch die Lösungen kommen zu langsam. Während vielfältige Schutzschirme und Hilfen für die Wirtschaft im Eilverfahren eingeführt wurden, fallen die Hilfen für bedürftige Familien im Vergleich dürftig aus. Betroffene können zwar einen Kinderzuschlag von bis zu 185 Euro pro Kind beantragen und die Zugänge wurden erleichtert. Das ist ein richtiger Schritt. Doch es liegen weitere sinnvolle Vorschläge auf dem Tisch. So fordert etwa das Kinderhilfswerk eine Einmalzahlung von 100 Euro für Hartz-IV-Familien und selbst die FDP schlägt eine Erhöhung von Hartz IV um bis zu 20 Prozent vor. Familienministerin Franziska Giffey dagegen will erst bis nach Ostern ein Lösungskonzept vorlegen. Das kommt zu spät. Unbürokratische und beherzte Hilfen müssen jetzt her. Solange die auf sich warten lassen, entstehen in der Bevölkerung bereits tolle Initiativen. Nur ein konkretes Beispiel: In Regensburg haben Gastronomen eine Notküche auf die Beine gestellt und verteilen seit 2. April dreimal pro Woche kostenlos Essen an Bedürftige. Solche Projekte entstehen derzeit an vielen Stellen in Deutschland. Das Engagement und die Solidarität ihrer Macher sind beeindruckend. Doch es darf nicht an ihnen alleine hängen. Je länger die Krise anhält, desto mehr verschärft sich die Lage für die Ärmsten unserer Gesellschaft. Das ist kein Plädoyer für eine vorschnelle Lockerung der Corona-Maßnahmen. Aber eines für schnelle Hilfen für diejenigen, die sie am dringendsten brauchen.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4566979
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

728427

weitere Artikel:
  • SPD-Vizechefin fordert Abschiebestopp wegen Corona Düsseldorf (ots) - Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende, Serpil Midyatli, hat angesichts der weltweiten Verbreitung des Coronavirus einen Abschiebestopp gefordert. "Wenn die Kanzlerin es ernst meint, wenn sie richtigerweise davon spricht, dass die ganze Welt Corona-Risikogebiet sei, dann müssten wir auch so konsequent sein und Abschiebungen grundsätzlich aussetzen", sagte Midyatli der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). Damit reagierte sie auf eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die angesichts der weltweit hohen mehr...

  • NRW-Gesundheitsminister will keine niedergelassenen Ärzte zwangsrekrutieren Düsseldorf (ots) - NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sein Epidemie-Gesetz gegen Kritik von Medizinern und Oppositions-Politikern verteidigt. Der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch) sagte der CDU-Politiker: "Mich ärgert, dass jetzt sogar schon von Zwangsarbeit die Rede gewesen ist. Wer mich kennt, weiß, dass Arbeitnehmerrechte für mich ein sehr hohes Gut sind, für die ich schon seit Jahrzehnten politisch kämpfe." Laumann erklärte, er habe kein Problem damit, wenn der Einsatz einem Parlamentsvorbehalt unterliegt. "Aber wir mehr...

  • Laumann will zügiges Ende der Besuchsverbote in Altenheimen Düsseldorf (ots) - NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sich besorgt über die Lage der Seniorenheime geäußert. Der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch) sagte er: "Die Pflegeheime sind ganz klar unsere Sorgenkinder. Wir müssen dort unter allen Umständen eine Ausbreitung verhindern - mit sehr weitreichenden Besuchsverboten und seit Neuestem auch mit weitreichenden Testungen von Bewohnern und Beschäftigten." Man sehen aber leider auch, dass selbst in exzellent geführten Häusern es zu einer Ausbreitung kommen könne. Trotzdem warnte mehr...

  • 8500 Corona-Infizierte in NRW wieder genesen Düsseldorf (ots) - Die Landesregierung hat sich erstmals zu den Zahlen der Corona-Infizierten geäußert, die die Viruserkrankung überwunden haben. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch), die Kommunen hätten 8500 entsprechende Fälle gemeldet. Mit Blick auf die Zahl der Neuinfektionen sagte der Minister, es gehe voran, die Richtung stimme: "Ehe sich die Zahl der Infizierten verdoppelt, vergehen in Nordrhein-Westfalen derzeit 11,1 Tage. Das ist ein Tag mehr als im Bundesschnitt." Bliebe es mehr...

  • Kölner Stadtdirektor fordert eine bessere Krisen-Prävention Düsseldorf (ots) - Der Kölner Stadtdirektor Stephan Keller (CDU) hat angesichts der Verbreitung des Coronavirus eine bessere Krisenprävention gefordert. "Nach Beendigung des Kalten Kriegs wurden alle krisenrelevanten Systeme heruntergefahren", beklagt der Kommunalpolitiker in einem Gastbeitrag für die Düsseldorfer "Rheinische Post" (Mittwoch). So wären personelle, materielle und technische Ressourcen abgebaut worden, während die Abhängigkeit vom Ausland in vielen dieser Bereiche stark gestiegen sei, kritisiert der CDU-Politiker, der sich auch um mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht