Gold als Krisenprofiteur / Kommentar zu monetären Fluchtbewegungen von Dieter Kuckelkorn
Geschrieben am 17-04-2020 |
Frankfurt (ots) - Der Goldpreis hat zuletzt deutlich zugelegt. In der Gemeinschaftswährung gerechnet befindet sich die Notierung des gelben Metalls sogar auf einem Allzeithoch. Die allermeisten Analysten gehen davon aus, dass sich der positive Trend beim Goldpreis fortsetzen wird. Die am Freitag zu beobachtenden Gewinnmitnahmen, die den Goldpreis unter 1.700 Dollar je Feinunze drückten, sind ohne Zweifel nur ein Intermezzo.
Die Nachfrage nach Gold wird unter anderem dadurch getragen, dass Gold als das zweckmäßigste Wertaufbewahrungsmittel in Krisenzeiten angesehen wird. Dies gilt derzeit wohl insbesondere für die USA, wo die Pandemie noch in keiner Weise unter Kontrolle ist und wo die Gefahr besteht, dass das Land in eine tiefe und lang andauernde Krise stürzen könnte. Dafür spricht jedenfalls, dass die Maßnahmen der amerikanischen Bundesregierung und der einzelnen Bundesstaaten zur Bewältigung der Krise alles andere als koordiniert erscheinen und dass nun US-Präsident Donald Trump über eine aller Wahrscheinlichkeit nach viel zu frühe Aufhebung der Lockdown-Maßnahmen nachdenkt.
Daher ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Pandemie in den USA nach einer möglichen Beruhigung der Lage im Sommer in einer neuen, möglicherweise noch schlimmeren Welle von Erkrankungen im Herbst gipfelt. Ähnliches war beispielsweise im Rahmen der Spanischen Grippe der Jahre 1918/19 zu beobachten, bei der es wie bei vielen anderen Epidemien eine sogenannte "Fat Tail"-Verteilung im Zeitverlauf gab. Dass die Amerikaner der Lage und ihrer Regierung nicht trauen, wird unter anderem daran deutlich, dass die Nachfrage nach Goldmünzen in den USA stark gestiegen ist. Das führt dazu, dass es in den USA bereits Prämien von bis zu 10% auf Goldmünzen gegenüber dem Kassapreis von Gold gibt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Goldnachfrage von privaten Haushalten momentan weltweit eher noch gering ist, da insbesondere in Asien aufgrund der Lockdown-Maßnahmen und natürlich der Auswirkungen der schweren konjunkturellen Krise auf die Haushaltseinkommen wenig Gold gekauft werden kann. Bei einer Normalisierung der Lage wird diese Nachfrage wieder anziehen und den Goldpreis stützen.
Aus Sicht von institutionellen Investoren ist es vor allem die Schutzfunktion von Gold gegenüber der Geldentwertung, die von besonderem Interesse ist. Viele Anleger fürchten aktuell, dass das enorme Ausmaß der weltweiten Konjunkturprogramme der Regierungen und der geldpolitischen Maßnahmen der Notenbanken nach Abklingen der Krise für erheblichen Inflationsdruck sorgen wird - vor allem dann, wenn diejenigen Stimmen recht behalten, die nach wie vor an eine zügige Überwindung der Krise und eine dann kraftvolle konjunkturelle Erholung rund um den Globus glauben.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der die Goldnachfrage durch Investoren antreibt. So geht der Löwenanteil der Hilfen von Regierungen und Notenbanken wieder einmal in den Finanzsektor und die Kapitalmärkte, die bereits nach der Finanzkrise von 2007/08 in einem vorher nie gesehenen Ausmaß mit Liquidität vollgepumpt wurden - so dass viele Kritiker von einer "Everything Bubble" sprachen, die fast alle Assetklassen umfasste. In diesem Umfeld entwickelte sich der Goldpreis auch nicht mehr unbedingt gegenläufig zu den Notierungen klassischer risikobehafteter Anlageformen wie Aktien. Es gab zeitweise fast nur noch positive Korrelationskoeffizienten der Anlageklassen zueinander. Ähnliches ist auch im Rahmen der aktuellen Krise zu beobachten: Den tiefen Einbruch der Märkte im März gab es nicht nur bei Aktien, auch der Goldpreis machte ihn mit. Dies lag unter anderem daran, dass auch Goldanlagen verkauft werden mussten, um Nachschusspflichten bei anderen Assetklassen nachkommen zu können. Dementsprechend hat sich danach, als die Stützungsmaßnahmen der Notenbanken bekannt gegeben wurden und einsetzten, der Goldpreis im Einklang mit den Aktienmärkten nach oben bewegt.
Genauso wie eine Abkehr von den Liquiditätshilfen der Notenbanken auch mehrere Jahre nach dem Ende der Krise von 2007/08 schwerfiel, ist davon auszugehen, dass auch die aktuellen Stützungsmaßnahmen noch für eine lange Zeit weiterbestehen müssen, weil sonst die Märkte prompt wieder abstürzen würden. Von dieser "Everything Bubble2.0" wird auch der Goldpreis langfristig profitieren.
(Börsen-Zeitung, 18.04.2020)
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