(Registrieren)

Wirtschaft ohne Stoßdämpfer / Schon in normalen Zeiten können vier von zehn Amerikanern eine unerwartete Rechnung nicht bezahlen / Leitartikel von US-Korrespondent Thomas Spang

Geschrieben am 21-04-2020

Regensburg (ots) - Neuneinhalb Jahre vergingen seit dem Ende der großen Rezession, die 2008 mit dem Platzen der Immobilienblase begonnen hatte. Während dieser längsten Aufschwungphase in der Geschichte schuf die US-Wirtschaft rund 22 Millionen neue Arbeitsplätze. Binnen von nur vier Wochen vernichtete der Corona-Virus all diese Jobs und verwandelte die Vollbeschäftigung in Massenarbeitslosigkeit. Das ist die Kehrseite eines Arbeitsmarkts, dessen Flexibilität oft unkritisch gepriesen wird. Arbeitgeber können Beschäftigte darin problemlos heuern und feuern sowie die Zahl an Arbeitsstunden herauf- und heruntersetzen. Selbst in den jäh zu Ende gegangenen "Boom"-Zeiten reichte für viele Amerikaner ein Job nicht, die rasant wachsenden Kosten für Gesundheit, Wohnraum und Bildung zu begleichen. Laut einer Studie der amerikanischen Notenbank FED von 2018 haben 40 Prozent der US-Bürger nicht genügend Ersparnisse eine unerwartete Rechnung über 400 US-Dollar zu bezahlen. Die Corona-Pandemie legt schonungslos die Sollbruchstellen einer Wirtschaft ohne soziale Stoßdämpfer offen. Das Foto einer mehrspurigen Schlange an Autos, die in San Antonio im US-Bundesstaat Texas vor einer Lebensmittelbank warten, illustriert den rasanten Absturz vom "Boom" zum "Bust". Das "Peterson Institute", eine Denkfabrik in Washington, prognostiziert bis zum Frühsommer eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent. Unter denen, die nicht von zuhause arbeiten können, wird eine doppelt so hohe Erwerbslosenrate erwartet. Disproportional davon betroffen sind Arbeiter ohne College-Abschluss und Angehörige von Minderheiten. Damit verschärft die Pandemie das ohnehin schon krasse Wohlstandsgefälle, das große Teile der Bevölkerung vom Zugang zu bezahlbarer Gesundheit und Bildung ausschließt. Eine Wirtschaft ohne Stoßdämpfer hat während der Pandemie tödliche Konsequenzen. Erste offizielle Statistiken aus New York zeigen, dass in ärmeren Nachbarschaften seltener auf den Erreger getestet wird, mehr Menschen erkranken und weniger die Infektion überleben. Schwarze und Hispanics erliegen dem Virus zwei Mal so häufig wie weiße Stadtbewohner. Drastisch verschärft wird die Krise durch den Wegfall von Krankenversicherungen, die in den USA an den Job gebunden sind. Das "Institut für Wirtschaftspolitik" in Washington geht von bereits 9,2 Millionen Menschen aus, die mit dem Arbeitsplatz ihre Versicherung verloren haben. Donald Trump weiß, was Massenarbeitslosigkeit für die Aussichten auf eine Wiederwahl bedeutet. Deshalb versucht er, Sündenböcke für sein sträfliches Versagen zu finden: die Chinesen, die Weltgesundheitsorganisation oder die Gouverneure der Bundesstaaten. Und er setzt auf dasselbe Rezept, das ihn 2016 ins Weiße Haus verhalf. Trump spaltet die Gesellschaft, indem er Ressentiments gegen "die da oben" schürt. Diesmal ermutigt er zu Protesten gegen liberale Eliten, die kleine Leute angeblich daran hindern, arbeiten zu gehen, während sie selber aus dem sicheren Homeoffice heraus Geld verdienen. In wichtigen Wechselwähler-Staaten wie Michigan, Wisconsin und Ohio Wirkung, wo bereit bis zu einem Viertel der Beschäftigten ihren Job verloren haben, könnte das Wirkung zeigen. Denn ohne soziales Netz, funktionierendes Gesundheitssystem oder Ersparnisse, sehen Millionen Amerikaner bald keinen anderen Ausweg, als ihr Leben für einen oft schlecht bezahlten Job zu riskieren. Das ist die Logik in einer Wirtschaft ohne Stoßdämpfer, die Trump schon in der Vergangenheit zynisch ausnutzen verstand.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4577014
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

729958

weitere Artikel:
  • Kommentar zur Maskenpflicht Stuttgart (ots) - "Deutschland kann dabei ziemlich viel lernen, zum Beispiel von Österreich. Wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz vor die Öffentlichkeit tritt, dann mit Maske. Seine Kabinettskollegen halten es ebenso. Das ist keine kindische Show, das ist Imagepflege für die Maske. Hierzulande sind bisher die wenigsten Politiker dadurch aufgefallen, sich so zu verhalten, wie sie es sich von ihren Bürgern wünschen. Und wenn doch, dann schaffen sie es, Hohn und Spott zu ernten. So wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, der die Nase mehr...

  • Jetzt sind die Berliner Bürger gefordert / Von Joachim Fahrun Berlin (ots) - Nun sollen auch wir in Berlin also langsam wieder ins Leben einsteigen. Viele Läden dürfen öffnen, wenn auch unter Auflagen. Die Kitas werden wieder mehr Kinder betreuen, wenn immer mehr Eltern wieder ihre Berufstätigkeit aufnehmen. Demonstranten und Gottesdienstbesucher müssen weiter mit Beschränkungen leben. Sportanlagen unter freiem Himmel sind wieder frei, auch wenn wegen der Distanz-Regeln an einen regulären Trainingsbetrieb zunächst nicht zu denken ist. In Bussen und Bahnen tragen wir künftig alle einen Mundschutz, und wenn mehr...

  • Apothekerverband erwartet Maskenpflicht auch für NRW Düsseldorf (ots) - Der Apothekerverband Nordrhein erwartet, dass eine Maskenpflicht auch in Nordrhein-Westfalen kommt. "Ich gehe davon aus, dass nach und nach alle Bundesländer eine Maskenpflicht für den Bus- und Bahn-Verkehr sowie in Geschäften einführen werden, auch Nordrhein-Westfalen", sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). Das sei auch machbar, nachdem sich die Versorgungslage verbessert habe: "Inzwischen werden die Lieferprobleme immer geringer. Die meisten, circa 60 Prozent mehr...

  • Vodafone Chef Hannes Ametsreiter drängt auf Start der Anti-Corona-App Düsseldorf (ots) - Der Mobilfunkkonzern Vodafone-Deutschland drängt auf einen baldigen Start einer Anti-Corona-App, gibt sich aber offen für einen Kompromiss, wo die Daten abgelegt werden sollen. Das sagt Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). Ametsreiter sagt wörtlich: "Es geht darum, zu retten, der Einsatz von Technik kann uns helfen, Corona besser zu bekämpfen." Ametsreiter betont zwar, die Nutzung der App müsse freiwillig sein, gibt aber eine Ziel vor : "Wenn etwa 60 Prozent der Bürger die App nutzen, mehr...

  • Ex-"Wirtschaftsweiser" Bofinger fordert Absenkung der Mehrwertsteuer für zwei Jahre Düsseldorf (ots) - Der Ökonom und langjährige "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger hat eine zeitlich begrenzte Minderung der Mehrwertsteuer zur Entlastung von Unternehmen in der Corona-Krise befürwortet. "Ich begrüße den Vorschlag einer temporären Absenkung der Mehrwertsteuer", sagte Bofinger der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Mittwoch). "Die Bundesregierung sollte das jetzt rasch umsetzen, weil die Gastronomiebetriebe ein großes Opfer im Interesse der Allgemeinheit erbracht haben." Der Professor für Volkswirtschaft an der Uni Würzburg, der von mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht