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Niedrige NO2-Werte am Stuttgarter Neckartor aufgrund Corona und wetterbedingter Sondereffekte und wegen streckenbezogenen Euro 5 Diesel-Fahrverboten

Geschrieben am 24-04-2020

Berlin (ots) - Landesregierung hält Veröffentlichung der NO2-Belastungswerte an der Pragstraße und anderen Belastungspunkten in der Stadt zurück - Nach Aufhebung der Bewegungsbeschränkungen steigt mit der Verkehrsmenge auch wieder die Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgasgift NO2 und liegt aktuell 10 Prozent über dem Grenzwert - Landesregierung muss bestehendes Euro 5 Dieselfahrverbot auf das gesamte Stadtgebiet ausdehnen und die rechtswidrigen Ausnahmen für Software Updates aufheben

Erstmals seit Beginn der NO2-Messungen wurde der Jahresgrenzwert von 40 µg NO2/m3 von Januar bis März 2020 an der Messstelle Am Neckartor in Stuttgart unterschritten. Maßgeblicher Grund hierfür war das über viele Wochen (vor allem Februar) regnerische und windige Wetter und das seit Mitte März verringerte Verkehrsaufkommen wegen der Corona Bewegungsbeschränkungen. Zudem gilt am Neckartor seit dem 1. Januar ein streckenbezogenes Diesel-Fahrverbot auch für Euro 5/V.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zeigt sich erfreut, dass von Januar bis März die Anwohner am Stuttgarter Neckartor erstmals Saubere Luft einatmen konnten. Allerdings ist die Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgasgift NO2 danach wieder angestiegen. So liegt der NO2-Grenzwert auch aufgrund des wieder zunehmenden Verkehrs am Neckartor im April bei 44 µg und damit 10 Prozent oberhalb des Grenzwerts.

Die Verringerung der Belastung mit NO2 zum Jahresbeginn macht Hoffnung, dass es auch bei normalen Wetterbedingungen möglich ist, selbst am Neckartor die Saubere Luft sicherzustellen, wenn weitere Maßnahmen ergriffen werden. Zu solchen wurde die Landesregierung höchstrichterlich am 27. Februar 2018 verurteilt. Im Rahmen der aktuell laufenden Zwangsvollstreckung muss das Land die richterlich angeordneten weiteren Maßnahmen zur Luftreinhaltung umsetzen: 1. Ausdehnung des Euro 5/V Dieselfahrverbots auf die gesamte Stadtfläche, 2. Beseitigung der rechtswidrigen Ausnahme für Software upgedatete Fahrzeuge von Fahrverboten und 3. konsequente Kontrolle und Ahndung von Verstößen gegen die Dieselfahrverbote.

Es genügt nicht, den NO2-Grenzwert am Neckartor einzuhalten, Land und Stadt müssen die Grenzwerteinhaltung im gesamten Stadtgebiet sicherstellen. Jenseits der vier Straßenzüge, die durch Euro 5-Dieselfahrverbote entlastet wurden, existieren weitere seit Jahren bekannte Bereiche in Stuttgart mit zum Teil massiven Grenzwertüberschreitungen wie zum Beispiel die Pragstraße mit 58 µg NO2/m3 im Jahresdurchschnitt 2019.

Da die Landesregierung sich weigert, das per höchstrichterlichem Urteil angeordnete Euro 5 Dieselfahrverbot auf das gesamte Stadtgebiet auszudehnen und alle Zwangsvollstreckungsentscheidungen der Gerichte ignoriert, muss sich nun erneut der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit der Durchsetzung der Sauberen Luft in Stuttgart beschäftigen.

Die DUH befürchtet, dass nach Aufhebung der Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie die Verkehrsmenge wieder zunehmen und damit auch die Schadstoffemissionen aus dem Verkehr wieder zu Grenzwertüberschreitungen führen, beispielweise am Neckartor wie an den anderen neuralgischen Stellen. Wie schnell die schlechte Luft nach Beendigung der Einschränkungen zurück kommt, zeigen die auf frühere Belastungswerte angestiegenen NO2-Werte in China. Um den NO2-Grenzwert dauerhaft und sicher einzuhalten, auch wenn es Inversionswetterlagen gibt oder die Verkehrsmenge steigt, müssen Land und Stadt die gerichtlich verfügten, notwendigen weiteren Maßnahmen ergreifen: Rücknahme der rechtswidrigen Ausnahme für Fahrzeuge mit Software-Update und strikt kontrolliertes Dieselfahrverbot für alle Euro 5/V Fahrzeuge ohne wirksame Hardware-Nachrüstung.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: " Die Landesregierung muss für das gesamte Stuttgarter Stadtgebiet sicherstellen, dass die NO2-Grenzwerte eingehalten werden. Sondereffekte wie den zweitregenreichsten Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 als Leistung des Landes zur Luftreinhaltung einzupreisen, ist einfach unseriös. Die DUH wird die Zwangsvollstreckung zum Wohle der Stuttgarter Bürger fortführen und hofft auf eine baldige klare Entscheidung aus Mannheim. Das Corona-Virus führt uns allen vor Augen, dass Saubere Luft gerade jetzt ein unverzichtbares Gut ist ."

Der gesetzlich vorgeschriebene Jahresmittelwert von 40 µg NO2/m3 wurde an der verkehrsnahen Messstation Am Neckartor seit Beginn der Datenerhebung permanent und weit überschritten. Im Jahr 2018 wurde der seit 2010 geltende Grenzwert mit einem Messwert von 71 µg NO2/m3 massiv überschritten. Durch Einführung eines stadtweiten Dieselfahrverbots für alle Fahrzeuge älter als Euro 5/V zum 1. Januar 2019 konnte die NO2-Belastung am Neckartor auf 53 µg/m3 reduziert werden. Mit Einführung der streckenbezogenen Euro 5/V Fahrverbote zum 1. Januar 2020 sank die Belastung dort im 1. Quartal 2020 erstmals auf 40 µg/m3. Bereinigt um wetterbedingte Sondereffekte und den Beginn der Corona-Bewegungsbeschränkungen läge der NO2-Wert allerdings über dem Grenzwert.

Trotz mehrmaliger Aufforderung verweigert die Landesregierung die jeweils sofortige Veröffentlichung von ihr vorliegenden Messergebnissen der Passivsammler von der Pragstraße sowie von anderen Messorten in Stuttgart bzw. anderen Orten in Baden-Württemberg.

Hintergrund:

Die generelle schädliche Wirkung von Luftschadstoffen auf die Atemwege erschweren es dem Immunsystem, die zusätzliche Infektion der Lunge durch SARS-CoV-19 zu bekämpfen. Die Folge: Es besteht das Risiko eines erschwerten Krankheitsverlaufes und eines erhöhten Sterblichkeitsrisikos. Vorerkrankungen, insbesondere der Atemwege, stellen ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf dar.

Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat am 28. Juni 2019 die Beschwerde des Landes Baden-Württemberg gegen einen Zwangsvollstreckungsbeschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart vom 26. April 2019 vollumfänglich zurückgewiesen. Das VG Stuttgart kam zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Stuttgart gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von Februar 2018 verstößt. Der Beschluss des VG Stuttgart aus April 2019 ist damit rechtskräftig und muss umgesetzt werden. Dazu gehört auch die Aufnahme von Fahrverboten für Euro 5 Diesel-Pkw in den Luftreinhalteplan ab dem 1. Juli 2019.

Die DUH hat daraufhin das Land Baden-Württemberg aufgefordert, zonale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 5/V in einen neunen Luftreinhalteplan aufzunehmen. Dieser Aufforderung kam das Land nicht nach, weshalb die DUH Anfang August 2019 beim VG Stuttgart einen Antrag auf ein höheres Zwangsgeld oder Beugehaft zur Vollstreckung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts eingereicht hat.

Das VG Stuttgart hat im Januar 2020 dem Antrag der DUH auf Zwangsvollstreckung stattgegeben. Mit dem Beschluss wurde erstmals in Deutschland ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro verhängt, das zudem an einen dritten Begünstigten, in diesem Fall an die Deutsche Kinderkrebsstiftung, zu zahlen ist.

Pressekontakt:

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

DUH-Pressestelle:

Marlen Bachmann, Thomas Grafe
030 2400867-20, presse@duh.de http://www.duh.de,
http://www.twitter.com/umwelthilfe, http://www.facebook.com/umwelthilfe,
http://www.instagram.com/umwelthilfe

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/22521/4580329
OTS: Deutsche Umwelthilfe e.V.

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell


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