Offener Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Berliner Schulen eher selten (FOTO)

Berlin (ots) - Studie der Humboldt-UniversitÃ¤t zu Berlin und der Sigmund Freund PrivatUniversitÃ¤t mit Ergebnissen zu einem umstrittenen Thema

HomosexualitÃ¤t und Transgeschlechtlichkeit begegnen Berliner SchÃ¼ler*innen vor allem, wenn Begriffe wie "schwul", "Lesbe" oder "Transe" als Schimpfwort verwendet werden. Ein offener und selbstverstÃ¤ndlicher Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt kommt seltener vor. Das zeigt eine Befragung von 566 LehrkrÃ¤ften und anderen pÃ¤dagogischen FachkrÃ¤ften an 43 zufÃ¤llig ausgewÃ¤hlten Berliner Schulen.

Die Befragung wurde durch Wissenschaftler*innen der Sigmund Freud PrivatUniversitÃ¤t und der Humboldt-UniversitÃ¤t zu Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung fÃ¼r Bildung, Jugend und Familie durchgefÃ¼hrt. ErgÃ¤nzt wurde sie durch Gruppen- und Einzelinterviews mit insgesamt 44 Expert*innen, pÃ¤dagogischen FachkrÃ¤ften sowie lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*[1] und inter*[2] (lsbti*) Jugendlichen.

Nur 38 Prozent der befragten FachkrÃ¤fte wusste von offen lesbischen, schwulen oder bisexuellen SchÃ¼ler*innen an ihrer Schule. Bei trans* und inter* SchÃ¼ler*innen lagen die Werte mit 24 Prozent und fÃ¼nf Prozent noch darunter. Dass in einer Schulklasse keine lsbti*-Jugendlichen sind, ist jedoch wenig wahrscheinlich, wie frÃ¼here Befragungen zeigen.

Zu Trans- und Intergeschlechtlichkeit fehlt basales Wissen

Viele FachkrÃ¤fte berÃ¼cksichtigen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt nicht, etwa indem sie Materialien verwenden oder Beispiele erwÃ¤hnen, in denen auch LSBTI* vorkommen. Insbesondere Trans- und Intergeschlechtlichkeit werden kaum thematisiert. Das hat auch mit Wissensdefiziten zu tun: Nur 43 Prozent der FachkrÃ¤fte erkannten die passendste unter mehreren Definition fÃ¼r Transgeschlechtlichkeit und nur 34 Prozent die fÃ¼r Intergeschlechtlichkeit.

Lsbti*-Jugendliche wÃ¼nschen sich von den FachkrÃ¤ften vor allem, dass diese ihre SchÃ¼ler*innen Ã¼ber sexuelle und geschlechtliche Vielfalt informieren, beispielsweise indem sie durch Workshops persÃ¶nlichen Kontakt zu LSBTI* ermÃ¶glichen. Ebenfalls fordern sie, dass FachkrÃ¤fte Diskriminierung ernsthaft thematisieren. Dazu gehÃ¶rt, dass sie darauf hinweisen, welche negativen Auswirkungen die Verwendung von "schwul", "Lesbe", "Transe" oder Ã¤hnlichen Begriffen als SchimpfwÃ¶rter haben.

Damit bestÃ¤tigen die WÃ¼nsche der lsbti*-Jugendlichen die Ergebnisse einer Befragung Berliner SchÃ¼ler*innen aus dem Jahr 2011: Je hÃ¤ufiger LehrkrÃ¤fte sexuelle und geschlechtliche Vielfalt thematisierten und gegen Diskriminierung intervenierten, desto positiver waren die Einstellungen ihrer SchÃ¼ler*innen zu LSBT.

Mehr Fortbildung von Lehrer*innen ist nÃ¶tig

Die aktuelle Studie zeigt nun darÃ¼ber hinaus, wie sich pÃ¤dagogische FachkrÃ¤fte dazu bewegen lassen, sich fÃ¼r lsbti* Jugendliche einzusetzen. Dr. Ulrich Klocke: "Die FachkrÃ¤fte brauchen vor allem konkretes Handlungswissen: Sie engagieren sich mehr fÃ¼r LSBTI*, wenn sie wissen, wie sie konkret gegen Diskriminierung vorgehen kÃ¶nnen, wo sie geeignete Materialien finden, die Vielfalt berÃ¼cksichtigen, und dass sie mit ihrem Verhalten die Situation von lsbti* SchÃ¼ler*innen tatsÃ¤chlich verbessern kÃ¶nnen." Auch zeigt die Studie erneut die wichtige Rolle persÃ¶nlichen Kontakts: "Je mehr LSBTI* die FachkrÃ¤fte persÃ¶nlich kennen, desto mehr engagieren sie sich", erlÃ¤utert Prof. Dr. Meike Watzlawik von der Sigmund Freud PrivatUniversitÃ¤t. "Interessant ist, dass dabei ihre eigene sexuelle Orientierung kaum eine Rolle spielt. Das bedeutet, heterosexuelle FachkrÃ¤fte mit Kontakt zu LSBTI* setzen sich genauso wie nicht-heterosexuelle FachkrÃ¤fte fÃ¼r eine Verbesserung der Situation von lsbti* SchÃ¼ler*innen ein."

Dipl.-Psych. Ska Salden zieht aus den Ergebnissen folgenden Schluss: "Die Ergebnisse unterstÃ¼tzen die Initiative 'Berlin tritt ein fÃ¼r Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt'. Der Berliner Rahmenlehrplan sieht die BerÃ¼cksichtigung von LSBTI* an vielen Stellen vor. Um seine Umsetzung zu erleichtern, mÃ¼ssen die begonnenen FortbildungsmaÃŸnahmen fÃ¼r pÃ¤dagogische FachkrÃ¤fte fortgefÃ¼hrt und ausgebaut werden. Und es mÃ¼ssen mehr Lehrmaterialien, die Vielfalt selbstverstÃ¤ndlich berÃ¼cksichtigen, erstellt und leicht verfÃ¼gbar gemacht werden."

Weitere Informationen:

Die vollstÃ¤ndige Studie finden Sie unter: https://www.sfu-berlin.de/wp-content/u ploads/Klocke_Salden_Watzlawik_2020_Lsbti_Jugendliche_in_Berlin.pdf

Die oben genannte frÃ¼here Studie lautet: Klocke, U. (2012). Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen: Eine Befragung zu Verhalten, Einstellungen und Wissen zu LSBT und deren Einflussvariablen. Berlin: Senatsverwaltung fÃ¼r Bildung, Jugend und Wissenschaft. VerfÃ¼gbar unter http://www.psychologie.hu-berlin.de/prof/org/download/klocke2012_1 [26.11.2018]

ErlÃ¤uterungen:

Unter dem Begriff trans* fassen die Autor*innen die Begriffe transgeschlechtlich, transgender, transident und transsexuell zusammen und meinen damit Personen, die sich nicht oder nicht nur dem Geschlecht zugehÃ¶rig fÃ¼hlen, das ihnen bei der Geburt zugeordnet worden ist.

Unter dem Begriff inter* fassen die Autor*innen die Begriffe intergeschlechtlich und intersexuell zusammen und meinen damit Personen, die mit Variationen der kÃ¶rperlichen Geschlechtsmerkmale geboren wurden, also genetisch, hormonell oder anatomisch nicht den medizinisch definierten Kategorien von "mÃ¤nnlich" oder "weiblich" entsprechen.

Pressekontakt:

Kontakt (bevorzugt per E-Mail): Prof. Dr. Meike Watzlawik meike.watzlawik@sfu-berlin.de https://psychologie.sfu-berlin.de/de/forschung-pub likationen/vielfalt-und-mehrfach-diskriminierung/ Sigmund Freud PrivatUniversitÃ¤t Department Psychologie Columbiadamm 10, Turm 9 12101 Berlin

Dr. Ulrich Klocke klocke@hu-berlin.de http://www.psychologie.hu-berlin.de/mitarbeiter/57490 Humboldt-UniversitÃ¤t zu Berlin Lebenswissenschaftliche FakultÃ¤t Institut fÃ¼r Psychologie Sozial- und Organisationspsychologie Rudower Chaussee 18 12489 Berlin

Pressekontakt: Hans-Christoph Keller Pressesprecher der Humboldt-UniversitÃ¤t zu Berlin pr@hu-berlin.de Tel.: 030 2093-2946

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