(Registrieren)

Junge und Frauen an die Macht/Die Parteien haben ein Problem: Sie bilden den Durchschnitt der Bevölkerung nicht ab. Die Entfremdung wird immer größer. Leitartikel von Bernhard Fleischmann

Geschrieben am 17-08-2020

Regensburg (ots) - Das Jahr der Entstehung steht fest: 1890 wurde die SPD durch die Umbenennung der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) formal gegründet. Die Wurzeln reichen sogar noch einige Jahrzehnte weiter zurück. Heute denkt bei SAP niemand mehr an Arbeiter und schon gar nicht an Sozialismus, sondern an das deutsche Software-Flaggschiff, notiert im Deutschen Aktienindex DAX. Dort hat Sozialismus nichts verloren, es geht im Gegenteil streng kapitalistisch zu. Beim Begriff Arbeiterpartei weiß man nicht mehr, wer damit gemeint sein soll. Der Zeitpunkt, zu dem die SPD diesen Status verloren hat, ist im Gegensatz zur Gründung unklar. Die meisten Bundesbürger denken dabei wohl an die Schröder-Ära, in der so manche Genossen der Bosse die Distanz zum werktätigen Volk veranschaulichten. Doch auch diese zeitliche Einordnung dürfte nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Es war ein schleichender Prozess. Arbeiterparteien gibt es schon lange nicht mehr, auch Die Linke sind keine. Denn erstens ist die Arbeitswelt über die Arbeiter hinweggegangen, so dass sich eine große Partei auf sie allein schon zahlenmäßig nicht stützen kann. Und zweitens fehlt es an Arbeitern in den Parteien und vor allem in den Parlamenten. Die Arbeiter sind mit ihrem Schicksal nicht allein. Es gibt viele Berufs- und gesellschaftliche Gruppen, die in den politischen Entscheidungsprozessen massiv unter die Räder kommen. Junge generell, moderne Job-Nomaden, einfache Angestellte. Anders gesagt: Die Parteien bilden in ihrer Zusammensetzung die Bevölkerung nicht ab. Das haben sie zwar noch nie besonders gut getan. Aber mittlerweile fühlen sich immer mehr Bürger nicht vertreten, weil ihresgleichen in Parteien und Parlamenten kaum vorkommt. Die Arbeiter etwa machen bei der SPD 16 Prozent aus, bei der Linkspartei 17 Prozent. Damit sind die beiden Parteien sogar Spitzenreiter in dieser Berufsgruppe. Die meisten Mitglieder über alle Parteien hinweg sind Angestellte im Öffentlichen Dienst, Beamte, Selbstständige und Freiberufler. An der Gesamtbevölkerung haben diese Gruppen - man glaubt es kaum - aber nur einen Anteil von einem Viertel. Ebenso wenig geben Parteien den Durchschnitt beim Thema Bildungsabschluss wieder. Gut ein Drittel der Bundesbürger verfügen über maximal Hauptschulabschluss. In den Parteien machen sie 21 Prozent aus. Die Unterschiede sind immens: Bei der CSU beträgt ihr Anteil 31, bei den Grünen kümmerliche vier Prozent. Kein Wunder, dass die Öko-Partei als elitär wahrgenommen wird. Noch krasser wird dieser Eindruck, wenn man den Anteil der Akademiker betrachtet: bei den Grünen fast drei Viertel, bei der CSU rund ein Drittel. Damit bilden die Christsozialen die Bevölkerung deutlich besser ab. Allein deshalb sind die CSU und die CDU stark im Vorteil, größere Stimmenanteile zu gewinnen. Thematisch - und auch ideologisch - haben sich die Grünen ja längst breiter aufgestellt, um für die Bildung von Regierungsmehrheiten relevanter zu werden. Nun sollten sie zudem daran arbeiten, auch für Menschen ohne Hochschulabschluss interessant zu sein. Immerhin sind die Grünen in einem Punkt weit vorne, bei dem vor allem Konservative im falschen Gestern hängengeblieben sind: beim Frauenanteil. CSU, FDP und insbesondere AfD (18 Prozent) sind bei Frauen schwach. Allen gemein - mehr oder weniger - ist eine gewisse Überalterung. Bei SPD und Union liegt der Schnitt bei 60 beziehungsweise 61. Grüne und FDP liegen bei 48 und 51 Jahren. Zugespitzt heißt das: Ältere Männer mit dem Blickwinkel öffentlicher Dienst entscheiden über die Zukunft von Schülern, Auszubildenden, Studenten, Angestellten. Das muss auf die Dauer schiefgehen. Denn kaum jemand kann sich seiner persönlichen Perspektive so entziehen, dass er den eigenen Interessen entgegenarbeitet. Kein Wunder also, dass sich viele Bevölkerungsgruppen nicht gut vertreten und verstanden fühlen. Junge, Frauen, Nicht-Akademiker müssen mehr zu sagen haben. Andernfalls fallen die Parteien als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft immer mehr aus.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/62544/4681988
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

744442

weitere Artikel:
  • Weiter so mit neuem Gesicht - Kommentar von Joachim Fahrun Berlin (ots) - Am Ende haben sich die Berliner Linken für die nahe liegende, wenig glamouröse Lösung entschieden. Staatssekretär Sebastian Scheel folgt auf die zurückgetretene Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher. Einmal mehr rettet der sachliche Sachse seine Partei in ihrer Leib- und Magendisziplin, der Mieten- und Baupolitik. Die Linken haben schlicht niemanden sonst gefunden, der oder die sich den Knochenjob im Clinch mit Wohnungswirtschaft und Mieter-Aktivisten antun wollte. Zumal die Stelle auf ein Jahr befristet ist. Niemand weiß, mehr...

  • Kommentar: Klare Ansage zur zweiten Welle Düsseldorf (ots) - Seit Mitte Juli steigen die Infektionszahlen in Deutschland. Es gibt erneut eine Welle der Corona-Ansteckungen, das ist nicht mehr zu leugnen, alle Indikatoren sprechen nach Angaben von Experten dafür. Sicher, sie ist nicht so drastisch wie zu Beginn der Pandemie, als es kaum Gegenmaßnahmen gab und nur der Lockdown half. Doch ein weiterer Lockdown ist nicht ausgeschlossen, wenn sich die Menschen im Alltag und bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Einschulungen oder Geburtstagen nicht wieder auf mehr Disziplin besinnen. Dafür mehr...

  • Feiern in Corona-Zeiten: Prioritäten prüfen Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Die Sehnsucht nach zwanglosem Miteinander, sie wächst - und parallel dazu die Neigung, Fünfe gerade und Abstand Abstand sein zu lassen. Dumm nur, dass das Coronavirus zur Sommerzeit nicht ähnlich milde gestimmt ist. Stattdessen breitet es sich aus, nutzt den Umstand schamlos aus, wonach gerade aufgrund der Erfolge im Kampf gegen die Seuche vielerorts Sorglosigkeit eingekehrt ist. Umso wichtiger ist es da, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Prioritäten prüfen. Kann es sein, dass der Urlaub im Risikogebiet oder eine rauschende mehr...

  • Grünen-Fraktionschefin Düker fordert konkrete Hilfen für Ruhrgebietsstädte Sperrfrist: 18.08.2020 00:00 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Düsseldorf (ots) - Vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Nordrhein-Westfalen hat NRW-Grünen-Fraktionschefin Monika Düker konkrete Hilfen für Ruhrgebietsstädte gefordert. "Wenn Armin Laschet die Zeche Zollverein nicht nur als folkloristische Kulisse in Konkurrenz zu Söder inszenieren will, sollte er das Treffen nutzen, um die Interessen der verarmten Ruhrgebietsstädte offensiv zu vertreten", mehr...

  • Städtetag NRW sieht angespannte Personalsituation in Kitas Sperrfrist: 18.08.2020 00:00 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Düsseldorf (ots) - Nach der Wiederaufnahme des Regelbetriebs in den Kitas bleibt die Personalsituation nach Angaben des Städtetages NRW angespannt. "Es ist gut, dass alle Kinder jetzt wieder in die Kitas gehen können. Das hilft allen Familien und sichert Bildungschancen", sagte Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Die Personalsituation bleibe in mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht