(Registrieren)

Leitartikel zu Demonstrationen/Reichstags-Tumulten: Klarmachen, wo man steht von Jana Wolf

Geschrieben am 01-09-2020

Regensburg (ots) - Warum sind wenige so laut und viele so leise? Diese Frage bleibt nach den Protesten in Berlin vom vergangenen Wochenende, bei der etwa 300 bis 400 Demonstranten die Absperrungen am Reichstagsgebäude überrannten, sich vor dem Sitz des Parlaments aufbäumten und damit eine der wichtigsten demokratischen Institutionen verhöhnten. Dieser aggressiven Truppe ist es gelungen, seit Samstag die öffentliche Debatte und die Timelines in den sozialen Medien zu beherrschen - die Reaktionen aus Politik, Medien und Gesellschaft sind aufgewühlt. Dass unter den Demonstranten Rechtsextreme und Reichsbürger waren und schwarz-weiß-rote Reichsflaggen wehten, macht die Szenen mitten im Regierungsviertel besonders hässlich, keine Frage. Dennoch würde man sich wünschen, dass die Bekenntnisse zu demokratischen Werten und Institutionen von der Mehrheit der Menschen ebenso leidenschaftlich vorgebracht werden, wie die Empörung über die Treppenstürmer. Um es zuzuspitzen: In Deutschland leben mehr als 83 Millionen Menschen, wenige hundert Protesttreiber aus Berlin stehen nun im Fokus. Den Gefallen sollte man ihnen nicht tun. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die durchaus legitimen Demonstrationen gegen die Corona-Politik zunehmend von extrem Rechten dominiert werden. Die Gewerkschaft der Polizei etwa warnt vor einem wachsenden Einfluss rechtsextremer Gruppen bei den Protesten. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland ist besorgt, dass sich unter dem Deckmantel kruder Verschwörungen antisemitische Tendenzen verfestigen. Ist die Grundlage einmal gelegt, tun sich extreme Gruppierungen leichter, ihre demokratiefeindlichen Ideologien weiter zu verbreiten. Diese Gefahr darf nicht verharmlost werden. Und genau aus diesem Grund sollte man nicht den Fehler machen, den wild zusammengewürfelten Demonstranten eine zusätzliche Bühne zu bieten. Nun gibt es auch in den Reihen der Protestanhänger empörte Reaktionen. Manche sehen sich zu unrecht mit Rechtsextremen in einen Topf geworfen. Und ja, Differenzierung tut hier not. In Berlin demonstrierten insgesamt rund 40 000 Menschen. Darunter mischten sich Kaisertreue, Impfgegner, Esoteriker, Hippies, QAnon-Anhänger, USA- und Russland-Freunde ebenso wie einfache Menschen mit existenziellen Sorgen. Auch überzeugte Kritiker der staatlichen Corona-Beschränkungen gingen auf die Straße. All diese Überzeugungen und Meinungen dürfen offen geäußert werden. Deswegen ist es auch richtig, dass das Berliner Demo-Verbot vor Gericht nicht Bestand hatte. Das Demonstrationsrecht sollte auch weiterhin politisch neutral ausgelegt werden. Spätestens seit diesem Wochenende müssen sich aber alle Anhänger der Corona-Demos fragen, in welche Gesellschaft sie sich begeben - unabhängig davon, ob sie nur gleichgültig oder in vollem Bewusstsein neben Reichsflaggen marschierten. Wer gemeinsam mit Rechtsextremen auf die Straße geht, verleiht diesen weiter Auftrieb. Es werden höchstwahrscheinlich weitere solche Demos kommen. Verharmlosende Ausreden aber kann es nicht mehr geben. Das Stürmen der Treppen zum Bundestag war natürlich bewusst inszeniert. Genau solche Bilder wollen die extrem Rechte produzieren, um die demokratischen Institutionen und Werte schwach aussehen zu lassen. Genau deswegen sollte man weder in die Empörungsfalle tappen noch gleichgültig darüber hinweggehen. Wir brauchen klare Bekenntnisse zu unseren demokratischen Werten, auch von der oft so leisen Mehrheit unserer Gesellschaft. Dazu gehört auch, ihre Institutionen nicht ständig und vorschnell in Frage zu stellen. Unsere Demokratie ist ein wertvolles Gut. Wir sollten auch klarmachen, dass wir es schützen.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/62544/4694852
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

746200

weitere Artikel:
  • Das Erste, Mittwoch, 2. September 2020, 5.30 - 9.00 Uhr Gäste im ARD Morgenmagazin Köln (ots) - 7.10 Uhr, Christine Lambrecht, SPD, Bundesjustizministerin, Thema: Bekämpfung von Rechtsextremismus 8.10 Uhr, Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen, Verkehrsminister Baden-Württemberg, Thema: Streit um Bußgeldkatalog Pressekontakt: Weitere Informationen unter www.ard-morgenmagazin.de Redaktion: Martin Hövel WDR Kommunikation, wdrpressedesk@wdr.de, Tel. 0221 220 7100 Agentur Ulrike Boldt, Tel. 0172 - 2439200 Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/6694/4694850 OTS: ARD Das Erste Original-Content mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung zu Wirecard Halle (ots) - Nur ein Untersuchungsausschuss ist in der Lage, alle relevanten Dokumente einzusehen und die wichtigen Akteure zu befragen. Dabei geht es nicht nur um den Betrug bei Wirecard selbst. Es geht auch um die Klärung grundsätzlicher Fragen im Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft: Wann und warum setzt sich die Regierung für einzelne Firmen ein? Wer bekommt Zugang zu Ministerien oder zum Kanzleramt? Warum können Ex-Politiker oder frühere Beamte ihre alten Kontakte nutzen, um als Türöffner zu fungieren? Das alles muss aufgearbeitet werden. mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung zu Reisewarnungen Halle (ots) - Es geht beim Tohuwabohu nicht um Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten, die plausibel und gerechtfertigt sein können. Aber das Chaos, das inzwischen angerichtet wurde, hilft nicht, weil es nicht mehr nachvollziehbar ist. Wenn in einem Fall ein negativer Test vor der Einreise vorliegen muss, im umgekehrten Fall aber erst nach dem Grenzübertritt, ist das für die Bürger nicht mehr verständlich. Dieses Durcheinander muss beendet werden. Das ist nicht nur wichtig, damit trotz der Pandemie die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung zur Konjunktur Halle (ots) - Es wird nun ganz entscheidend auf die Verbraucher ankommen. Denn die Konsumenten, denen der Staat mit Kurzarbeitergeld und höheren Sozialleistungen geholfen hat, waren maßgeblich dafür verantwortlich, dass die hiesige Volkswirtschaft erheblich glimpflicher davon kam als beispielsweise Italien, Spanien oder Frankreich. Die Bundesregierung muss deshalb den Mut aufbringen, noch einmal nachzulegen, wenn es wieder kritischer wird. Zu den geeigneten Instrumenten sollte eine spürbare Aufstockung des Kurzarbeitergeldes gehören. Auch ein zusätzlicher mehr...

  • Anti-Corona-Demos: Linder warnt vor Instrumentalisierung durch Rechtsextreme Köln (ots) - Nach den Ausschreitungen bei den Anti-Corona-Demos in Berlin warnt FDP-Parteichef Christian Lindner diejenigen Bürger, die aus Sorge auf die Straße gehen, davor, sich durch Rechtsextreme Instrumentalisieren zu lassen. "Der Gedanke der Freiheit ist untrennbar verbunden mit Rechtsstaat, Demokratie und Marktwirtschaft", sagte Linder dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwochausgabe). Die Reichkriegsflagge symbolisiere hingegen vor allem einen kollektivistischen Obrigkeitsstaat. "Deswegen ist paradox, wenn diese Leute sich auf Bürgerfreiheiten mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht