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Für immer niedrig ? / Kommentar zum Strategieschwenk der US-Notenbank von Kai Johannsen

Geschrieben am 04-09-2020

Frankfurt (ots) - Der jüngst verkündete Strategieschwenk der US-Notenbank in der Geldpolitik wird für die internationalen Kapitalmärkte weitreichende Folgen haben. Diese Auswirkungen werden, allen voran an den Zinsmärkten, über Jahre zu spüren sein. Die Inflationsrate liegt in den USA seit Jahren unter dem Zielwert der Fed von 2%. Die US-Währungshüter streben nun eine Inflationsrate an, die im "Laufe der Zeit durchschnittlich 2% beträgt". "Das bedeutet, nachdem die Inflation für einige Zeit unter dem Ziel lag, möchte die Fed nun eine Teuerungsrate erreichen, die für einige Zeit moderat über 2% liegt", so Christoph Rieger, der bei der Commerzbank das Zins- und Credit-Research leitet.

Die Fed bleibe dabei jedoch flexibel, indem sie keinen Zeithorizont angebe, über den sie das durchschnittliche Inflationsziel erreichen will. Im Blick hat die Fed aber auch in ihrer Strategie die Beschäftigungssituation in der größten Volkswirtschaft der Welt. Das Statement wurde abgeändert. Die Fed will sich nun auf Abweichungen nach unten von der Vollbeschäftigung konzentrieren, nachdem zuvor immer von symmetrischen Abweichungen die Rede war. Damit reagiert die Fed auf den heftigen Anstieg der Arbeitslosigkeit aufgrund der Covid-19-Krise, d.h. die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie.

Für die Anleihemärkte heißt der Strategieschwenk der Fed erst einmal, dass sich die Marktteilnehmer für die nächsten Jahre von Leitzinssteigerungen der Fed verabschieden können. Rieger geht sogar davon aus, dass die Fed die Zinsen selbst nach einem Anziehen der Inflation für einige Zeit nicht anheben dürfte. Der Markt habe die Zinserhöhungserwartungen zwar bereits weit in die Zukunft verschoben. Die erste Zinserhöhung werde erst in drei Jahren diskontiert. Nach den Inflationserwartungen des Marktes zu urteilen, sei dies jedoch noch verfrüht. Die einjährigen Forward-Inflationsraten, die aus Inflationsswaps herausgerechnet werden können, würden für 2023 immer noch einen Anstieg der Konsumentenpreise von unter 1,9% andeuten.

Das sehen auch diverse andere Marktteilnehmer so. Der Credit-Manager Muzinich meint etwa: "Die Fed steht vor einer Situation, dass sie wahrscheinlich sehr lange Zeit nicht in der Lage sein wird, die Zinsen zu erhöhen, es sei denn, einige strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft kehren sich um, wie etwa ein Anstieg der langfristigen Produktivität, was nach der Pandemie sehr unwahrscheinlich ist."

Somit wird es an den Anleihemärkten auch nicht zu der Situation kommen, dass in Erwartung höherer Leitzinsen in den USA die Renditen der Staatsanleihen anziehen. Von den USA wird demzufolge kein Zinserhöhungsdruck oder Renditedruck nach oben ausgehen, der dann etwa auch in der Eurozone, so zum Beispiel bei den Bundesanleihen in Form höherer Renditen, zu spüren wäre. Das kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen, denn zunächst einmal müssen sich die stark gebeutelte US-Volkswirtschaft, aber auch andere Volkswirtschaften der Welt vom durch Covid-19 ausgelösten Wirtschaftsschock erholen. Das geht nicht in Wochen oder Monaten. Erst dann ist bei einer nachhaltigen Erholung auch wieder mit Zinssteigerungen und höheren Bondrenditen zu rechnen. Aus dem bislang propagierten "lower for longer" mit Blick auf die US-Zinspolitik wird "low for very long" oder womöglich ein "forever low"?

Damit geht an den Zinsmärkten die Jagd nach Rendite weiter. Da die Fed und andere Notenbanken Zinspapiere und dabei auch Unternehmensanleihen kaufen, werden die seit Jahren beobachteten Verdrängungsprozesse (Crowding-out der Investoren) in andere Fixed-Income-Bereiche weitergehen und auch dort die Renditen noch weiter nach unten befördern. Noch mehr Marktsegmente mit Null- und Minusrenditen werden die Folge sein. Emittenten freuen sich über immer günstigere Konditionen bei der Mittelaufnahme. Unternehmen werden das gern nutzen, der Primärmarkt bekommt also seitens der Firmen in den nächsten Jahren genug Bond-Nachschub zu immer geringeren Renditen.

Das billige Zentralbankgeld hat in den vergangenen Jahren zu einer Hausse an den Aktienmärkten beigetragen. Die Aussicht auf eine anhaltende Liquiditätsschwemme sollte die Aktien also weiter stützen. Ein Gegengewicht hierzu wird aber die wirtschaftliche Verfassung der Unternehmen sein: Wie viele Defaults zieht die Covid-19-Wirtschaftskrise nach sich? Das könnte die Stimmung an den Aktienmärkten durchaus verhageln

(Börsen-Zeitung, 05.09.2020)

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