Neue Schläfer / Kommentar von Friedrich Roeingh zum Dschihad in Europa
Geschrieben am 03-11-2020 |
Allgemeine Zeitung Mainz (ots) - Militärisch mag der Islamische Staat besiegt sein. Terroristisch ist er fürchterlich lebendig. Und offenbar haben die Dschihadisten verstärkt Europa in ihr Visier genommen. Der tödliche Messerstich in Dresden, die Hinrichtung des Lehrers Samuel Paty in Paris, der Mord an den drei Kirchenbesuchern in Nizza und nun die vier Todesopfer von Wien. Es ist noch nicht klar, ob dies eine geplante Serie ist. Genauso denkbar ist, dass der eine Attentäter den anderen angesteckt hat, was nicht weniger schlimm wäre. So könnte der Begriff des Schläfers eine neue Dimension bekommen. Nicht als jemand, der ferngesteuert agiert, sondern als eine wachsende Gruppe radikalisierter Islamisten, die sich selbst zu Anschlägen ermächtigen. Dabei scheinen die ganz Jungen besonders anfällig für Mordläufe zu sein, die sie selbst mit dem Leben bezahlen. Drei Konsequenzen muss das haben: Die Sicherheitsdienste in Europa müssen ganz akut, aber auch auf Dauer noch engmaschiger als bisher die sogenannten Gefährder in den Blick nehmen - und wo möglich abschieben. Sie müssen sich über Ländergrenzen hinweg wesentlich besser vernetzen. Und der wichtigste Punkt: Wir müssen uns viel intensiver den jungen Muslimen in unserer Gesellschaft zuwenden, wenn wir französische Verhältnisse abwenden wollen. Wir dürfen sie nicht länger Hinterhofmoscheen, eingeflogenen Imamen und den Hasspredigern im Netz überlassen. Statt dem Ruf der Rassisten nach einem Kulturkampf zu folgen, müssen wir dringend die Versäumnisse von 20, 30 Jahren Wegschauen aufholen: durch Bildungsoffensiven, durch soziale Arbeit und durch eine offensive Ausbildung gemäßigter Imame.
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