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WAZ: Was Beck erreichte und was nicht Drei Igel, ein Hase - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 26-10-2007

Essen (ots) - Die gefühlte Linke in Deutschland, das sind
inzwischen vier Parteien. Geführt werden sie von der
sozialdemokratisierten Christdemokratin Merkel. Sie hat genau an den
neuralgischen Ecken, an denen sich Parteien voneinander
unterscheiden, bei der Union abgeschliffen, was konservativ
hervorragte. Europäisch bis polyglott statt patriotisch, allen
Familienmodellen gleichermaßen aufgeschlossen statt der
traditionellen Aufteilung verpflichtet, und sozial wie wirtschaftlich
längst schon nicht mehr liberal. Nichts verdeutlicht diesen Wandel so
klar wie der Umstand, dass des Kanzlers Schröder Agenda mit Lust nur
noch von einer Partei vertreten wird: den Liberalen.

An dieser Aufstellung hat Kurt Beck mit seiner Grundsatzrede
nichts geändert. Wie auch? Dass die SPD sich wieder ein Stück
sozialdemokratischer aufstellen würde, ohne doch je die
Sicherheits-Sehnsüchte befriedigen zu können, die sie (vor der
Agenda-Zeit) einst selbst bediente und die heute von der Linkspartei
bedient werden, war vorher klar. Den Menschen, deren Lebensgefühl
sich aus Verlust oder der Angst davor speist, vermag sie zuwenig zu
geben. Einige sozialpolitische Stellschrauben können nicht viel
bewirken, wenn Menschen glauben, der Aufschwung gehe an ihnen vorbei,
neue Arbeitsplätze seien schlecht bezahlt oder unsicher, und
Steuer-Milliarden würden an gierige, gewissenlose Unternehmen
verschleudert. Denn von der Rücknahme der letzten
Unternehmensteuer-Reform, die der sozialdemokratische Finanzminister
verantwortet, war ja wohl nicht die Rede. Und auch Beck versprach
nicht, die durchgreifenden Steuersenkungen Schröders für Privatleute
wie Firmen zurückzunehmen; oder sich von der (liberalen) Politik der
Haushaltskonsolidierung zu verabschieden. Es bleibt dabei: Die SPD
steht nicht für eine einzige, klare, linke Richtung, sondern für
einen Politikmix. Sie hat gestern nur das Mischungsverhältnis ein
wenig geändert, so, wie die Grünen und Merkel schon zuvor.

Nur, dass dieser Prozess bei der Union nicht ins Kontor haut. Die
Union definiert sich viel stärker als die SPD über die Ausübung von
Regierungsmacht. Wer wie die SPD-Basis idealistischer, wärmer,
fürsorglicher sein möchte, wird umso mehr an der kühlen Wirklichkeit
leiden. Deshalb gehört nicht viel zu der Vorhersage, dass die SPD
auch nach diesem Parteitag zwar besser gelaunt, aber gespalten
bleiben wird: in eine Regierungs- und eine Oppositionslinke. Wobei
sie es, anders als der Hase aus dem Märchen, eben stets mit drei
Igeln zu tun haben wird, die ihr zurufen: Ich bin schon da.
Allerdings ist jetzt wenigstens mal geklärt, wie der Hase heißt.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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