Verfassungsrechtler Dieter Grimm zur Geiselbefreiung und der Erpressbarkeit von Staaten: "In solchen Fällen braucht die Regierung Handlungsfreiheit"
Geschrieben am 03-05-2006 |
Hamburg (ots) - Der renommierte Verfassungsrechtler Dieter Grimm bestätigt, dass die Bundesregierung bei der Frage, welche Forderungen der irakischen Geiselnehmer sie erfüllen will, große Handlungsfreiheit gehabt habe. "Ausschlaggebend ist" sagt Grimm in der ZEIT, "ob man die Frage 'Geld gegen Leben' isoliert betrachtet oder die möglichen Weiterungen in die Überlegungen einbezieht, vor allem die, dass jede geglückte Erpressung zur Nachahmung einlädt." Andererseits brauche die Regierung in solchen Situationen Handlungsfreiheit. "Wenn der Staat in jedem Fall verpflichtet wäre, auf die Forderungen einzugehen, würde seine Reaktion für Geiselnehmer kalkulierbar werden."
Grimm, der von 1987 bis 1999 Richter am Bundesverfassungsgericht war und heute Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin ist, erinnert an den Fall Hanns-Martin Schleyer. Als der ehemalige Arbeitgeberpräsident im Herbst 1977 von Mitgliedern der RAF entführt wurde, wollte seine Familie die Regierung per Gerichtsentscheid verpflichten, auf die Forderungen der Erpresser einzugehen. Doch das Bundesverfassungsgericht entschied, es gebe keinen verfassungsrechtlichen Zwang, das Opfer einer Entführung freizukaufen. "Das war eine mutige und sehr vernünftige Entscheidung", sagt Grimm. "Muss man nicht Felder bewahren, in denen das Recht nicht allein entscheidet, sondern die Politik ihre Verantwortung behält?"
Das komplette ZEIT-Interview der ZEIT Nr. 19 vom 4. Mai 2006 senden wir Ihnen gerne zu.
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