LVZ: Abschied des Parteisoldaten
Geschrieben am 13-11-2007 |
Leipzig (ots) - Von Bernd Hilder Mit Franz Müntefering geht der sozialdemokratische Regierungslotse von Bord. Und Kanzlerin Angela Merkel wird es noch schwerer haben, den richtungslos umherirrenden Koalitions-Tanker wenigstens aus rauer See herauszuhalten. Durch den wegen der Krankheit seiner Frau absolut zu respektierenden Rücktritt Münteferings und die gleichzeitige Weigerung des SPD-Vorsitzenden Beck, durch die Übernahme eines Ministeramtes der eigenen Bundesregierung den Rücken zu stärken und Verantwortung zu übernehmen, erhöht sich das Risiko des politischen Untergangs für die zerstrittenen Koalitionäre beträchtlich. Beck weiß, wie schlecht der Zustand der Koalition ist - und hält sich deswegen dem Kabinett mit abnehmender Halbwertszeit fern. Das ist politisch ängstlich und taktisch schlau zugleich. Mit dem Vorwurf, feige zu sein, kann er politisch besser leben als mit der Aussicht, als in die Kabinettsdisziplin Eingebundener gegenüber der Kanzlerin stets am kürzeren Hebel zu sitzen. Dafür nimmt Beck sogar in Kauf, dass mit dem neuen Vize-Kanzler Steinmeier ein präsentabler innerparteilicher Konkurrent entsteht, der ihm die Kanzlerkandidatur streitig machen könnte. Becks Kneifen zeigt aber auch, wie wenig Zuversicht ihn treibt, nach den nächsten Wahlen im Chefsessel des Kanzleramtes zu landen. Der SPD-Chef wird sich wie gehabt weiter an der relativen Unmöglichkeit versuchen, den regierenden Oppositionspolitiker mit Distanz zur Kanzlerin zu geben. Die Union kann das solange geradezu stoisch hinnehmen, wie sie in Umfragen deutlich vor der SPD liegt. Aber man fragt sich, mit welchen gemeinsamen Projekten und Zielen diese Regierung noch punkten will, um 2008 ohne Totalschaden zu überleben. 2009 steht dann sowieso Wahlkampf pur auf der Agenda. Neuwahlen wären nach Münteferings Rückzug und unergiebigen Koalitionsausschüssen das ehrliche Gebot der Stunde, aber selbst dazu fehlt der Koalition die Kraft. Wenn Müntefering süffisant bemerkt, nun gehe der Stubenälteste der SPD, aber auch er wisse nicht, wer in Zukunft Merkels erster Ansprechpartner sei, beweist, wie ungeklärt und verfahren die Situation ist. Die SPD ist seit ihrem Hamburger Parteitag eine andere als noch unter Schröder. Zuletzt verteidigte nur noch Müntefering Schröders Erbe, während der sich schon meinungsflexibel von sich selbst distanzierte. So wurde Müntefering nicht nur von Meinungsverschiedenheiten mit der Kanzlerin, sondern vor allem von den fruchtlosen Grabenkämpfen in seiner eigenen Partei zermürbt. In jüngster Zeit kassierte er vornehmlich politische Tiefschläge. Es rächte sich, dass er noch vor dem Start der großen Koalition vorschnell den SPD-Vorsitz nach innerparteilichen Hakeleien hingeschmissen hatte. In der Politik ist Dankbarkeit keine Handlungsmaxime. Dass ohne Müntefering die rot-grüne Regierung Schröder kaum sieben Jahre lang durchgehalten hätte, spielte im Hauen und Stechen des parteipolitischen Alltagsgeschäftes keine Rolle mehr. Diese Erkenntnis mag ihm als Parteisoldaten den Abschied aus der großen Politik erleichtern.
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