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Westdeutsche Zeitung: Thierse = von Alexander Marinos

Geschrieben am 15-11-2007

Düsseldorf (ots) - Die Debatte um das Privatleben diverser
Politiker wird immer unappetitlicher. Das neueste Opfer ist Helmut
Kohl. Wie immer sich Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse auch im
Detail geäußert haben mag: Fest steht, dass er in einem
Zeitungsinterview darüber fabulierte, wie es Hannelore Kohl damals
erging. Dass sie, die an einer Lichtallergie litt, zu Hause "im
Dunkeln" habe bleiben müssen, während der Kanzler weiter seinen Job
machte, sei "keine ideale Lösung" gewesen, gab Thierse nun auch im
Nachgang zu dem Interview zu Protokoll. Was, bitteschön, weiß Herr
Thierse schon vom Privatleben Helmut Kohls? Und: Was geht ihn das
überhaupt an?
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold: Da diese Weisheit für Thierse
in besonderer Weise zu gelten scheint (schließlich nimmt er nicht zum
ersten Mal seinen Mund ganz schön voll), sollte er die Konsequenzen
ziehen und endlich gehen. Seine oft moralinsauren Provokationen sind
mit einem Amt, das besondere Zurückhaltung im Parteiengezänk
verlangt, nicht vereinbar. Diesmal hat er die Grenze des Anstands
klar überschritten.
Wenig anständig sind auch die andauernden Spekulationen um die
Rücktrittsmotive Franz Münteferings. Einerseits wird Respekt geäußert
vor der Lebensleistung des scheidenden Vizekanzlers. Der Mann sei
geradlinig, verlässlich, verbindlich - einer, bei dem die Geschicke
des Landes in guten Händen lagen. Warum aber wird dann eben dieser
Inkarnation des Anstands hartnäckig unterstellt, irgendwo stünden
doch politische Gründe hinter seiner Entscheidung? Dass er -
zumindest auch - gegangen sei, weil ihn SPD-Chef Kurt Beck und
Bundeskanzlerin Angela Merkel so bitter enttäuscht hätten?
Wer Müntefering wirklich respektiert, der akzeptiert, dass es sich um
eine rein persönliche Entscheidung zugunsten seiner kranken Frau
handelte. Wer behauptet, Müntefering habe seine Frau als Grund nur
vorgeschoben und damit als Mittel zum Zweck missbraucht, der
unterstellt ihm würdeloses Verhalten. Ohne Beweise ist das ein
starkes Stück - ein starkes Stück, das sich unter anderem
Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine und FDP-Generalsekretär Dirk Niebel
geleistet haben. Nicht nur Wolfgang Thierse täte es also ganz gut,
Politik-Kollegen mit mehr Achtung zu begegnen.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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