Walter Tesarczyk, Mitglied des Vorstandes der Allianz Versicherungs-AG, kommentiert die steigenden Schäden in der D&O-Versicherung und deren Folgen für Versicherer und Versicherte.
Allianz Versicherungs-AG, München, 31. Januar 2005 - Das Interesse an einer D&O-Versicherung in Deutschland hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Wurde das gesamte Prämienvolumen 2001 noch auf 115 Millionen Euro geschätzt, so geht man Medienberichten zufolge davon aus, dass das Prämienvolumen in der Zwischenzeit in etwa um das dreifache gestiegen ist.
Ursprünglich wurden D&O-Policen in erster Linie von industriellen Kunden gekauft. In der Zwischenzeit wird das Produkt auch im Middle-Market-Segment verstärkt nachgefragt und abgeschlossen.
Entwicklung hat mehrere Faktoren
Ausschlaggebend für diese Entwicklung sind mehrere Faktoren. Aufgrund von spektakulären Fällen im Bereich von Missmanagement, insbesondere im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des neuen Marktes, spielte das Thema Managerhaftung auch in den Medien eine große Rolle, was zu einer starken Fokussierung in der öffentlichen Wahrnehmung führte.
Mit der Internationalisierung der Kapitalmärkte ist hierzulande nicht nur das Wissen über andere Rechtskulturen und Verhaltensmuster gewachsen, sondern auch die Gefahr mit Anspruchsmentalitäten aus anderen Rechtskreisen konfrontiert zu werden.
Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat in diesem Zusammenhang die Diskussion um die Corporate Governance, also den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen zur Unternehmensleitung und -kontrolle.
Der Gesetzgeber trägt auch dazu bei
Im Februar 2003 veröffentlichte der Gesetzgeber den Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, das sogenannte 10-Punkte-Programm.
Im Rahmen der Umsetzung dieses Programms liegt nun seit Mitte November 2004 der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vor.
Im Bereich der Managerhaftung wird zum einen die sogenannte Business-Judgement-Rule in den Wortlaut des Gesetzes aufgenommen, zum anderen wird die Einführung einer originären Klagemöglichkeit für Kleinaktionäre geschaffen. Bisher konnten Minderheitsaktionäre nur im Namen der Gesellschaft klagen.
Im elektronischen Bundesanzeiger soll ein 'Aktionärsforum' eingerichtet werden. Über dieses Forum können Aktionäre Mitstreiter für das Erreichen der gesetzlichen Quoren und zur Stimmrechtsausübung suchen und sie zum Mitmachen aufrufen. Gleichzeitig wurden die erforderlichen Hürden solcher Klagen im Hinblick auf den notwendigen Anteil an der Unternehmensbeteiligung deutlich herabgesetzt.
In diesem Rahmen ist auch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) zu nennen, das im Oktober 2004 in Kraft getreten ist. Das beinhaltet unter anderem Modifikationen im Bereich des Insiderrechts und eine Verschärfung der Ad-hoc-Publizitätspflicht.
Ein weiteres Gesetzesvorhaben, das Einfluss auf die Haftung von Managern haben könnte, ist das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG). Der Gesetzesentwurf wurde aber Mitte November 2004 zurückgezogen. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass das Gesetzesvorhaben in veränderter Form wieder auf die Tagesordnung kommt.
Sowohl AGs als auch GmbHs sind betroffen
Die neuen Gesetzesvorhaben betreffen zwar in erster Linie börsennotierte Aktiengesellschaften, es wäre jedoch ein Trugschluss, wenn sich die Unternehmensleiter und Aufsichtsorgane anderer Gesellschaften (zum Beispiel GmbHs) dadurch in Sicherheit wiegen würden.
Auch die Rechtsprechung beschäftigt sich heute in deutlich höherem Umfang mit Szenarien der Managerhaftung als noch vor einigen Jahren. Mit einem geradezu klassischen Fall der Haftung einer Geschäftsführerin einer mittelständischen GmbH hat sich der Bundesgerichtshof im November 2002 auseinandergesetzt. Letztlich wurde die Managerin zur Zahlung von rund 370.000 Euro verurteilt weil sie es versäumt hatte, rechtzeitig Kurzarbeit für die Mitarbeiter des Unternehmens zu beantragen.
Jeder zehnte Vertrag birgt einen Schadensfall
Die gestiegene Anzahl an D&O-Verträgen und die geschilderten verschärften Rahmenbedingungen hinsichtlich der Managerhaftung spiegeln sich naturgemäß im Schadenbereich dieser Sparte wieder. Erfahrungswerte zeigen, dass in etwa jeder zehnte Vertrag von einem Schaden betroffen ist, wobei eine Schadenhäufigkeit in dieser Höhe nicht erwartet worden war. Die Schadenszenarien betreffen nicht nur die industriellen Risken sondern auch die mittleren Unternehmen.
Während sich in den ersten Jahren nach der Zeichnung der D&O-Versicherung durch deutsche Versicherer im Jahr 1995 ein sogenannter 'soft market' mit weit reichenden Konzepten zu günstigen Prämien entwickelte, ist laut Berichten in der Fachpresse in der letzten Zeit eine entgegengesetzte Entwicklung zu beobachten. Die Veröffentlichungen berichten darüber, dass als Konsequenz der geschilderten Rahmenbedingungen im Bereich der Großrisiken eine Konsolidierung auf hohem Niveau festzustellen sei, nachdem in den letzten beiden Jahren erhebliche Preissteigerungen zu verzeichnen waren. Im Bereich der mittleren Unternehmen sei mit Preissteigerungen von rund 10 Prozent zu rechnen.
D&O inzwischen als Standard etabliert
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich die D&O-Versicherung in der Zwischenzeit in Deutschland als Standard etabliert hat und ein wichtiges und wesentliches Standbein zur Absicherung der Haftungsrisiken von Unternehmensleitern und Aufsichtsorganen gerade auch von kleinen und mittleren Unternehmen darstellt.
Dieser Namensbeitrag von Walter Tesarczyk erschien in einer ungekürzten Version am 29. Januar 2005 in der Börsenzeitung.
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