Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 07. Dezember 2007 die Kindstötungen von Plauen und Darry:
Geschrieben am 06-12-2007 |
Bremen (ots) - Schutzlos, ratlos von Joerg Helge Wagner Nun also Plauen und Darry. Allzu menschlich ist das Bedürfnis, für das Unfassbare Schuldige zu suchen: die Behörden (überfordert, umständlich), der Staat (spart an der falschen Stelle), die Gesellschaft (konsum- und karrieregeil, daher kinderfeindlich), die Nachbarn (desinteressiert, unsolidarisch). Immer ist mehr als nur ein Körnchen Wahrheit dabei. Genau deshalb können die Beschuldigten dann aber munter gegenseitig aufeinander zeigen: die Behörden auf den Staat, der sie finanziell im Stich lasse, die Bürger auf die Politiker, denen nichts einfiele, die Politiker auf die Bürger, denen die Werte abhanden gekommen seien. Da geraten die unmittelbar Beteiligten schon fast in den Hintergrund: Jene, die ihre Kinder misshandeln, verwahrlosen lassen, töten, weil sie sich selbst grenzenlos gehen lassen. Etwa, wenn sie nur noch für ihren nächsten Rausch leben. Wenn sie ihre labile Partnerin mit mehreren Kindern einfach sitzen lassen. Wenn sie sich einen Dreck um ihre Tochter kümmern, die viel zu früh Mutter wurde. Ja, man kann um der Kinder Willen nach den Behörden rufen. Die müssen dann aber nicht nur unterstützen, sondern auch rechtzeitig (!) eingreifen dürfen. Die verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen sind ein richtiger Schritt. Wenn bei den Säumigen sofort der Besuch vom Jugendamt folgt, wie Ministerin von der Leyen fordert, ist das nur konsequent - solange es bei Wiederholungstätern nicht nur bei "Besuchen" bleibt, die Jugendämter entsprechend ausgestattet werden und auf tatkräftige Unterstützung anderer Behörden zählen dürfen. Jessica, Kevin, Lea-Sophie hätte das wohl das Leben gerettet. Vielleicht auch dem ältesten Opfer aus Plauen, dessen Geburt ja immerhin beim Gesundheitsamt gemeldet wurde. Das war's dann aber auch schon an staatlicher Fürsorge, denn erst durch die anstehende Einschulung wurde der Tod des Kindes nach Jahren bekannt. Werden aber Schwangerschaft und Geburt verheimlicht, sind ein liberaler Staat und eine offene Gesellschaft machtlos. Ebenso, wenn bei den Eltern plötzlich schwere psychische Störungen auftreten. Das ist die furchtbare Lehre von Plauen und Darry: Alle Fürsorge, Kontrolle, Solidarität können eine Familie nicht völlig ersetzen.
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