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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Tragödien von Darry und Plauen

Geschrieben am 06-12-2007

Bielefeld (ots) - »Kinder sind unsere Zukunft«: Dieser aus
Sonntagsreden der Politiker sattsam bekannte Satz wirkt angesichts
der Tragödien in Plauen und Darry erschreckend hohl. Zwei Mütter
haben vermutlich acht Jungen und Mädchen getötet. Die Fälle in
Sachsen und Schleswig-Holstein erschüttern Deutschland. Wie können
Mütter nur so etwas tun? Das fragen sich Eltern, Großeltern und
Paare, die sich Nachwuchs wünschen, aber aus medizinischen Gründen
keinen haben können.
Bei aller Empörung darüber, dass Mütter den eigenen Kindern das Recht
auf Leben raubten, stimmt der sich aufdrängende Eindruck, jeden Tag
würden in einer deutschen Stadt neue Leichen entdeckt, nicht mit der
Wirklichkeit überein.
Eine Statistik des Bundeskriminalamtes zeigt, dass die Zahl der
getöteten Säuglinge und Kleinkinder in den vergangenen Jahren nicht
gestiegen ist. Pro Jahr werden demnach zwischen 25 und 45 Kinder
unter sechs Jahren von den Eltern ermordet, Opfer eines Totschlags
werden zwischen 75 und 95 Mädchen und Jungen. Das sind schreckliche
Zahlen. Und dennoch: Die weitaus meisten Eltern lieben ihre Kinder,
tun alles für sie und fürchten nichts mehr als deren Tod.
Seitdem der kleine Kevin aus Bremen in der Tiefkühltruhe entdeckt
wurde, schaut die Öffentlichkeit genauer hin. Bei Vernachlässigung
und Verwahrlosung fragen Medien, ob die Behörden das Schlimmste nicht
hätten verhindern können. Das ist legitim, doch die Fragen gehen noch
weiter. Wer mit Mitarbeitern der Jugendämter und der Kinder- und
Jugendhilfe spricht, merkt schnell, wie sehr sie fürchten, dass ihre
»Klienten« das Wohl ihrer Sprösslinge gefährden. Tote Kinder zu
finden, stellt für sie den Albtraum schlechthin dar. Die Sorge um
zerrüttete Familien oder psychisch kranke alleinerziehende Mütter
raubt ihnen manchmal den Schlaf.
Egal ob sich das Grauen in Plauen, Darry, Schwerin oder Bielefeld
abspielt, die Stadtväter sollten die Jugendämter endlich personell
und finanziell so ausstatten, dass sie sich intensiv um ihre
Problemfamilien kümmern können. Der Rotstift hat im sozialen Bereich
genug gewütet. Handlungsfähige Jugendämter sind wichtiger als neue
Kunstrasenplätze.
Wenn die Mitarbeiter mehr Zeit für Betreuung und Kontrollbesuche
haben, wird es sicherlich zu Fehlalarmen kommen. Eltern werden sich
darüber ärgern, dass ihnen zu Unrecht unterstellt wurde, ihren
Kindern fehle es an etwas. Aber Fehlalarme sind zu verschmerzen, wenn
echte Tragödien verhindert werden können.
Um Zeichen von Misshandlung und Vernachlässigung früh zu erkennen,
sollten Vorsorgeuntersuchungen verbindlich werden. Wenn Kinder dort
nicht vorgestellt werden, hilft der Hinweis der Krankenkasse ans
Jugendamt möglicherweise Leben retten.
Schleswig-Holstein hatte Pflichtuntersuchungen am 21. November
eingeführt. Im Fall Darry kam diese Entscheidung zu spät. Gegen die
buchstäblich wahnsinnige Tat der Mutter waren alle Beteiligten
ohnehin machtlos.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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