Gert Voss: "Oberflächlicher Kram" beherrscht das deutsche Theater
Geschrieben am 12-12-2007 |
Hamburg (ots) - Der deutsche Schauspieler Gert Voss, 66, beklagt den Zustand des aktuellen Theaters. Voss, der von kommender Woche an eine der größten Rollen der Weltliteratur, Schillers Wallenstein, am Wiener Burgtheater spielen wird, sagt der ZEIT: "Ich habe in so vielen Aufführungen den Eindruck, dass sie sich um das Schwierige drücken. Wenn die Theaterleute verletzbar werden sollten, wenn sie sich dem Risiko eines ungebrochenen Gefühls aussetzen müssten, dann büxen sie aus ins Ironische."
Heutige Regisseure, so Voss, brächen aus einem Stück nur noch das heraus, was sie interessiere. Alles andere werde verjuxt, verzerrt, verschmiert. Voss: "Diesen oberflächlichen Kram - man kann ihn nicht ertragen. Deshalb gibt es auch keine Konfrontation mit dem Publikum mehr. Das Publikum akzeptiert - und vor allem konsumiert es. Eigentlich waren wir doch mal angetreten mit dem Vorsatz: Wir dürfen nicht zu konsumerabel werden. Und heute ist das Theater konsumerabel, eine einzige bolleartige Vergnügtheit."
Das Publikum habe am Niveauverlust seinen Anteil, sagt Voss, der in seiner Karriere mehrfach zum "Schauspieler des Jahres" gewählt wurde: "Applaus ist überhaupt kein Gradmesser mehr, die Leute applaudieren viel beliebiger als früher. Es werden Aufführungen abgefeiert, ohne dass irgendein Widerspruch eingelegt wird. Es sitzen nicht Kenner da, sondern Leute, die sagen: Das war ein schöner Abend. Ich finde auch, die Leute lachen immer so schnell. Ich erlebe im Theater fast nie Dinge, die mich wirklich zum Lachen bringen."
Den Kriegsstrategen Wallenstein, den er in Wien spielen wird, nennt Voss einen "Typen ohne jede Skrupel...eine Art Unternehmer des Krieges...Er hat vom Krieg gut gelebt; als er schließlich den Frieden will, geht er unter." Gert Voss sagt der ZEIT, er liebe es, untergehende Männer darzustellen, Herrscher, denen am Ende alle Macht entrinnt. Das hänge, so Voss, mit seiner eigenen Angst zusammen: "Die Angst ist ein starker Antrieb, beim Zusehen und beim Spielen. Ich spiele am liebsten das, wovor ich Angst habe. Und ich mag die Filme, die kein Happy End haben. Ich wollte immer, dass eine andere Macht die Sache beendet und nicht der Held selbst."
Originaltext: DIE ZEIT Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/9377 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_9377.rss2
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