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Börsen-Zeitung: Aus der Neuen Welt, Kommentar von Claus Döring in der 100 Seiten umfassenden Jahresschlussausgabe 2007 der Börsen-Zeitung

Geschrieben am 28-12-2007

Frankfurt (ots) - "Aus der Neuen Welt" nannte der tschechische
Komponist Antonin Dvorak seine Sinfonie Nr. 9, in der er meisterhaft
Inspirationen von Volksweisen aus der "Alten Welt" Europa mit
Indianermelodien und Spirituals der farbigen Plantagenarbeiter aus
der "Neuen Welt" Amerika kombinierte. Damals, vor gut 110 Jahren,
kündigte sich das amerikanische Jahrhundert an. Heute müsste Dvorak
nach China reisen, um eine Sinfonie "Aus der Neuen Welt" zu
komponieren. Etwaige Zweifel, dass mit der Jahrtausendwende das
chinesische Jahrhundert eingeläutet wurde, dürften spätestens im
zurückliegenden Jahr ausgeräumt worden sein. Volkswirte streiten sich
allenfalls noch über den Zeitpunkt, wann China die USA als
wirtschaftlich stärkste Nation der Welt abgelöst haben wird. Und wie
sehr die Weltwirtschaftslokomotive USA schon jetzt von China
angeschoben werden muss, zeigt sich aktuell (vgl. "Im Bann der
Finanzkrise", ab Seite 26).

Es war das erste Mal, dass eine Finanzkrise nicht in den
sogenannten Emerging Markets ihren Ausgang nahm, sondern von einem
entwickelten Industrieland. Und zum ersten Mal kamen nicht die
reichen Industrieländer - sei es direkt oder über den Internationalen
Währungsfonds - den Gestrauchelten zu Hilfe, sondern Kapital aus den
Emerging Markets floss in die USA und stabilisierte die in Schieflage
geratenen Finanzinstitute (vgl. "Die Subprime-Krise und ihre Folgen",
ab Seite 33). Nichts hätte die verschobenen weltwirtschaftlichen
Gewichte eindrucksvoller belichten können als die Engagements der
Staatsfonds aus China, Singapur oder den Golfstaaten bei den durch
die amerikanischen Hypothekenkrise angeschlagenen Banken. Erst die
Krise hat den enormen, nach Diversifizierung suchenden
Devisenreserven aus China und arabischen Ländern den Weg zurück
geebnet. Amerikas Gläubiger tauschen die von Schwindsucht befallene
US-Währung gegen Beteiligungen am Realkapital.

Während die Amerikaner, die noch vor kurzem arabisches Kapital für
amerikanische Seehäfen aus nationalen Sicherheitserwägungen
blockierten, jetzt aus der Not eine Tugend machen und mit ihren
Banken das Allerheiligste des amerikanischen Kapitalismus öffnen,
können sich die Europäer an ausländische Staatsfonds als Investoren
nur schwer gewöhnen. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo die
politische Diskussion über den Schutz vor ausländischen Staatsfonds
hochkocht und den Gesetzgeber auf den Plan ruft.

In Deutschland, das stolz den Titel "Exportweltmeister" trägt und
beinahe die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts durch die Warenausfuhr
erwirtschaftet, sind nach einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes
deutscher Banken drei von vier Bürgern der Meinung, dass der Staat
wichtige deutsche Unternehmen vor einer ausländischen Übernahme
schützen sollte. Dies ist Ausdruck der gezielt geschürten Angst vor
ausländischem Staatskapitalismus. Dabei wird gern vergessen, dass
auch deutsche Konzerne mit dominierendem staatlichen Einfluss - von
Telekom über Bahn und Post bis hin zu einst Volkswagen - sich im
Ausland an Unternehmen in Schlüsselbranchen beteiligten, dass
umgekehrt sich ausländische Aktionäre deutscher Unternehmen
überwiegend als verlässliche und langfristig orientierte
Gesellschafter erwiesen haben (vgl. "Schöne neue Aktionärswelt", ab
Seite 41).

Wenn Deutschland nicht zu den Verlierern der Globalisierung
gehören will, gibt es zur Öffnung für ausländisches Kapital keine
Alternative. Man muss im Gegenteil alles tun, um diesen
Produktionsfaktor anzuwerben und ins Land zu holen. Denn andere
Produktionsfaktoren wie Rohstoffe oder stark wachsende Bevölkerung
fehlen.

Verflechtung nicht nur in den Handelsbeziehungen, sondern auch in
den Kapitalbeziehungen sichert die Teilhabe am Wachstum der "Neuen
Welt" mit Milliarden von potenziellen Konsumenten. Nur wenn sich
Deutschland diesen Realitäten und Chancen stellt, wird es als
Standort für Investitionen und zum Leben attraktiv bleiben.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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