Lausitzer Rundschau: Debatte um Verschärfung des Jugendstrafrechts Gefährliche Scheuklappen
Geschrieben am 11-01-2008 |
Cottbus (ots) - Es hat zeitlich einfach gut gepasst. In München schlagen zwei junge Männer ausländischer Herkunft einen Rentner brutal zusammen und in Hessen kämpft der Christdemokrat Roland Koch um seine Wiederwahl. Das Ergebnis ist eine hitzige Debatte über Jugend- und Ausländerkriminalität, in der zwei schlichte Forderungen dominieren: Einsperren und Ausweisen. Was im Knast mit den Jungtätern geschieht, interessiert die Vertreter der Hau-Drauf-Fraktion meist nicht. Sonst hätten sie sich zum Beispiel vor einem Jahr lautstark zu Wort melden können, als es um den Erlass von speziellen Gesetzen für den Jugendstrafvollzug in den Bundesländern ging und damit auch um verbürgte Rechte auf Bildung, Erziehung und Sozialtherapie hinter Gittern. Dass es so leicht nicht ist mit der Bekämpfung von Jugendgewalt wissen alle, die beruflich damit zu tun haben. Auch Lausitzer Polizisten können da mitreden. Zum Beispiel Beamte aus Guben, die es immer wieder mit einer Gruppe von 60 bis 70 Jugendlichen aus einem bestimmten Viertel zu tun haben, wenn es in der Neißestadt um Diebstahl, Sachbeschädigung, aber auch um Gewalttaten geht. Sie kommen fast alle aus Familien mit massiven Problemen: überforderte Eltern, Alkohol, Arbeitslosigkeit, Schulden. Unrechtsbewusstsein und Respekt vor anderen Menschen sind Heranwachsenden aus diesen Familien ebenso fremd wie Zielstrebigkeit und eigene Erfolgserlebnisse. Jugendgefängnisse und lange Haftstrafen sind jedoch kaum geeignete Mittel, um diese langfristigen Erziehungsversäumnisse auszugleichen. Aus vielen jugendlichen Kriminellen werden im Gefängnis nur erwachsene Kriminelle, die dann irgendwann wieder auf freien Fuß kommen. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Jeder Bürger fordert zu Recht, dass der Staat ihn vor kriminellen Jugendlichen schützt. Doch dazu ist vieles nötig: Eine hohe Aufklärungsquote von Polizei und Staatsanwaltschaft. Gut ausgestattete Gerichte, die schnell und wirkungsvoll mit einem breiten Spektrum an Sanktionen und Strafen reagieren. Aber auch viel mehr soziale Angebote und pädagogische Maßnahmen, die einsetzen, bevor sich kriminelles Verhalten verfestigt. Wer nur nach härteren Strafen ruft, offenbart gefährliche Scheuklappen.
Originaltext: Lausitzer Rundschau Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_47069.rss2
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