Therapiemöglichkeiten "optimiert" oder eingeschränkt? / Moderne Insuline sollen dann eingesetzt werden, wenn Humaninsulin nicht ausreicht / G-BA ignoriert dennoch die Vorteile der modernen Insuline
Geschrieben am 22-02-2008 |
Mainz (ots) - Mit seiner gestrigen Entscheidung, die kurz wirksamen Insulinanaloga aus der Verordnungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen herauszunehmen, hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die Vorgaben des Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) und ein Votum des Bundestages hinweggesetzt. Zugleich hat der G-BA mit seinen weit gehenden Ausnahmeregelungen die Vorteile der Modernen Insuline faktisch anerkannt. Denn er erlaubt ausdrücklich die Verordnung, wenn Humaninsulin für die Behandlung nicht mehr ausreicht. Ob die Therapie durch die geplante Einschränkung wirklich "optimiert" werden kann, werden die betroffenen Diabetes Typ 1 Patienten - hauptsächlich Kinder, Jugendliche und Menschen im arbeitsfähigen Alter - und ihre Ärzte wohl anders sehen. Die geplante Änderung kann frühestens im Mai in Kraft treten - falls das Bundesgesundheitsministerium keinen Einspruch einlegt. Es besteht daher keine Notwendigkeit, Behandlungen umzustellen. Novo Nordisk bemängelt, dass das Verfahren offensichtlich ausschließlich nach wirtschaftlichen Aspekten erfolgte. Damit werden wesentliche therapeutische Vorteile der modernen Therapie ignoriert.
Bis zuletzt hatten Patienten mit Typ 1 Diabetes, Selbsthilfegruppen und medizinische Fachgesellschaften gehofft, dass kurz wirksame Insulinanaloga weiterhin verordnungsfähig bleiben. Einige Menschen mit Diabetes hatten sich sogar mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt, um ihre Behandlung auch in Zukunft sicherstellen zu lassen. Aber das positive Votum des Bundestages hat ebenso wenig bewirkt wie die Kritik von Fachgesellschaften oder Selbsthilfegruppen. Der gemeinsame Bundesausschuss, ein Gremium aus Vertretern von Krankenkassen und Ärzteschaft, wollte keinen zusätzlichen Nutzen der Modernen Insuline anerkennen und ist der eingeschränkten Analyse des Instituts für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) gefolgt. Zugleich hat er mit der umfassenden Ausnahmeregelung den Zusatznutzen trotz der anders lautenden Erklärung faktisch anerkannt. Daher sollten die Behandlungen der Menschen mit Typ 1 Diabetes nicht vorschnell umgestellt werden, denn es obliegt dem Bundesgesundheitsministerium als oberster Instanz, diesen offensichtlichen Widerspruch aufzulösen.
Ebenso verwunderlich wie die widersprüchliche Entscheidung selbst ist die Behauptung des G-BA, Moderne Insuline seien "um ein Vielfaches teurer" - in den beigefügten "Fragen und Antworten" hingegen wird der Unterschied korrekt mit 20 bis 30 Prozent angegeben.
Bereits im Herbst 2006 wurde ein ähnlicher Beschluss gefasst, damals betraf es Patienten mit Diabetes Typ 2. Die jetzt betroffenen Menschen mit Typ 1 Diabetes sind im Schnitt jünger und können - anders als beim Typ 2 - ihre Krankheit auch durch massive Änderungen des Lebensstils nicht beeinflussen, sondern sind lebenslang auf eine Insulinbehandlung angewiesen. Für Kinder, Jugendliche und Berufstätige sind die kurz wirksamen Insulinanaloga ein gewaltiger Fortschritt, weil sie ihnen mehr Flexibilität im Alltag verschaffen und damit mehr Chancen für bessere Behandlungsergebnisse bieten. Der Ausschluss durch den G-BA hat eine Zwangsumstellung der Therapie auf die älteren Humaninsuline zur Folge - mit Einschränkungen im Versorgungsalltag sowie einer möglichen Verschlechterung der Behandlung.
"Die Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses stößt weltweit auf Unverständnis", sagt Dr. med. Karim El-Hashimi, Leiter der Abteilung Medizin bei der Novo Nordisk Pharma GmbH. "Bereits die Bewertung dieser Medikamente durch das IQWiG basierte auf nur einer Handvoll wissenschaftlicher Studien und unterscheidet sich damit deutlich von den Methoden und Ergebnissen in vergleichbaren Ländern. Der Beschluss des G-BA zeigte, dass die Wirtschaftlichkeit weitaus wichtiger ist als die Qualität moderner Behandlungen. Dies ist bedauerlich, da es doch um die Versorgung von Patienten geht, die lebenslang auf die Medikamente angewiesen sind und einen Anspruch auf die besten Arzneimittel haben sollten."
Auch die Fachwelt ist empört. So kommentiert Prof. Dr. med. Klaus Kusterer, Diabetologe mit eigener Praxis in Mannheim: "Diabetes ist eine chronische Erkrankung, die sich erschreckend schnell ausbreitet und zu verheerenden Folgekrankheiten führt. Und in dieser Situation werden in Deutschland die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt." Gerade in der Behandlung von Typ 1 Patienten hält Prof. Kusterer die Modernen Insuline für eine wichtige Option, auf die er nicht verzichten möchte. "Wir erleben gerade einen Rückfall auf den Therapiestandard von vor fast 20 Jahren - und das alles auf Kosten der Patienten."
Novo Nordisk ist ein international tätiges Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Dänemark und beschäftigt weltweit rund 23.600 Mitarbeiter in 79 Ländern. Allein am deutschen Standort in Mainz sind über 450 Mitarbeiter beschäftigt. Novo Nordisk gilt als Pionier in der Insulinherstellung und ist heute Weltmarktführer in der Diabetes-Versorgung. Der führende Diabetes-Spezialist ist vor allem für sein umfangreiches Produkt-Portfolio an Insulinen und modernsten Insulin-Injektionssystemen bekannt. Daneben hält Novo Nordisk eine führende Position in den Bereichen Blutgerinnung (Hämostase), Wachstumshormon- und Hormonersatztherapie. Novo Nordisk produziert und vertreibt seine pharmazeutischen Produkte und Dienstleistungen in 179 Ländern mit dem Anspruch größtmöglicher Gesamtverantwortung für Patienten, Ärzte und Gesellschaft. Als Aktiengesellschaft ist Novo Nordisk an den Börsen von Kopenhagen, London und New York (NYSE, Kürzel NVO) gelistet. Weitere Informationen unter www.novonordisk.de
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