Allg. Zeitung Mainz: Wieder ein Ruck
Geschrieben am 06-03-2008 |
Mainz (ots) - Reinhard Breidenbach zu Herzog
Alt-Bundespräsident Herzog hat sich Gedanken über das politische System gemacht, und es ist ausgegangen wie fast immer bei ihm: Es klingt ein wenig so, als stünde die Republik vor dem Einsturz, hinterher wird dann aber alles nicht so heiß gegessen. Aus solchen Auftritten speist sich der barocke Charme Herzogs. Er sagt, es müsse alles viel besser werden, aber wie genau, da legt er sich nicht fest. Auch bei seiner berühmten "Ruck-Rede" war das so, die vor allem darunter litt, dass es dann doch keinen Ruck gab, der durch die Gesellschaft ging - was dem damaligen Bundespräsidenten Herzog aber durchaus schon klar war, als er die Rede hielt. Dass ein System mit sechs Parteien - CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke - schwierig ist, ist eine Binsenweisheit. Dass man das Wahlrecht ändern müsse, um ein solches System zu verhindern, erscheint absurd, vor allem wäre es undemokratisch; es grenzte an Betrug. Herzogs Szenario, wonach ein "Minderheitskanzler" unsinnige Kompromisse eingehen müsste, um über die Runden zu kommen, klingt spannend, ist aber wenig realistisch. Gewiss: Auch in Europa gibt es parlamentarische Systeme, die mit der Demokratie und dem Regieren ihre Probleme haben. In der italienischen Politik etwa regiert zumeist das Chaos. Dergleichen ist in Deutschland sicher nicht zu befürchten, auch wenn sieben oder acht Parteien im Bundestag vertreten sein sollten. Denn ob es geordnet zugeht in einem Parlament, hat weniger mit dem Wahlrecht und der Anzahl der Parteien zu tun als mit demokratischer Kultur und Disziplin. Allenfalls zu ändern wäre in Deutschland die Dauer der Legislaturperiode. Vier Jahre geben zu wenig Raum für langfristige Konzepte, fünf Jahre wären angemessen.
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