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Landeszeitung Lüneburg: GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch im Interview/Schwarz-Grün in Hamburg nicht um jeden Preis

Geschrieben am 13-03-2008

Lüneburg (ots) - Die Stadtteile Harburg und Altona sind das
Vorbild. Nun wollen sich CDU und Grüne auch in der Hamburger
Bürgerschaft auf ein Bündnis einlassen. Am Montag beginnen die
Verhandlungen über die Bildung der ersten schwarz-grünen Koalition
auf Landesebene. Christa Goetsch, Fraktionsvorsitzende der GAL, sieht
große Differenzen, aber auch große Chancen für die Hansestadt.

Gibt es wirklich eine inhaltliche Annäherung oder soll
Schwarz-Grün nur eine Große Koalition in Hamburg verhindern?

Christa Goetsch: Nur eine Große Koalition zu verhindern, das wäre
ein bisschen wenig. Für uns ist ganz klar Voraussetzung, dass
inhaltlich etwas in Bewegung kommt. Wir haben zunächst ausgelotet, ob
die großen Differenzen, die bei einzelnen Themen bestehen,
überbrückbar sind und ob neue Perspektiven entwickelt werden können.
Sonst könnten wir es ja gleich bleiben lassen.

Größer als mit der CDU könnten die Differenzen doch kaum sein...

Goetsch: Das hat auch der Wahl-O-Mat ergeben. Unterschiede gibt es
vor allem in Fragen des Klimaschutzes und im Bildungsbereich. Zu
nennen wären aber auch die Volksentscheide, die in Hamburg nicht
verwirklicht sind, soziale und Bürgerrechtsfragen und die
Flüchtlingspolitik. Das alles sind Fragen, die uns Grüne immer schon
sehr bewegt haben. Darüber haben wir mit der CDU intensiv diskutiert
und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass vieles möglich ist und dass es
sich lohnt, für Hamburg etwas zu entwickeln. Ziel muss ja sein, dass
in vier Jahren die Lebensqualität in Hamburg sichtbar besser geworden
ist. Wenn man dann zum Beispiel auf ordentlichen Radwegen fahren
könnte, wäre schon etwas erreicht.

Ist Schwarz-Grün nur eine Übergangslösung oder ist damit - im
Hinblick auf andere Länder und den Bund - endgültig der Bann
gebrochen?

Goetsch: Ich würde das nicht so hoch hängen, denn wir sind eine
Großstadt und kein Flächenland. Unsere Aufgabe besteht darin, für
Hamburg etwas Tragbares zu erreichen, zum Beispiel zu beweisen, dass
wirtschaftlicher Erfolg und eine neue Energiepolitik zu vereinbaren
sind.

Für die CDU ist die Elbvertiefung nicht verhandelbar. Wie könnte
die grüne Handschrift bei diesem Thema erkennbar sein?

Goetsch: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Wir werden darüber
intensiv verhandeln müssen. Die Belastung der Lebensräume, der
Biotope, für Niedersachsen kommt natürlich die Deichsicherheit hinzu,
sind Themen, die man nicht einfach übergehen kann, um ausschließlich
wirtschaftliche Interessen zu befriedigen. Ob das hinzukriegen ist,
werden wir nächste Woche sehen. Sie können davon ausgehen, dass wir
unsere Bedenken in die Waagschale werfen werden.

Ein weiterer Knackpunkt ist das geplante Kohlekraftwerk in
Moorburg. Wie könnte die von der CDU in Aussicht gestellte
"vollständige Alternative" aussehen?

Goetsch: Das Ziel ist es, die Kohlendioxid-Emissionen um 40
Prozent zu reduzieren. Das ist mit diesem Kohlekraftwerk nicht zu
schaffen. Der andere Punkt ist die Feinstaubbelastung, die noch
einmal dasselbe Ausmaß hätte wie der komplette Ausstoß aller Autos
und Haushalte zusammen. Das wäre eine enorme gesundheitliche
Belastung. Deshalb ist es richtig und notwendig, nach Alternativen zu
suchen. Eine zukunftsfähige Energiepolitik setzt auf Energiesparen,
erneuerbare Energien und dezentrale Anlagen. Was da möglich ist, wird
jetzt von den Fachleuten ausgelotet.

Die SPD hatte der CDU in den Sondierungsgesprächen einen
Privatisierungsstopp abgerungen. Welche Rolle hat das Thema bei den
Gesprächen mit den Grünen gespielt?

Goetsch: Das ist natürlich auch für uns ein wichtiges Thema.

Kann Schwarz-Grün mehr durchsetzen als eine Große Koalition?

Goetsch: Wir sehen in vielen Bereichen, die für uns und auch ist
für eine Stadt wie Hamburg bedeutsam sind, etwa bei
Flüchtlingsfragen, Bewegung bei der CDU. Für mich persönlich ist
wichtig, dass auf gleicher Augenhöhe und mit Respekt miteinander
umgegangen wird. Ich war sehr skeptisch, als es in Altona um ein
Bündnis mit der CDU ging. Aber dort sind inzwischen Ergebnisse
greifbar: das neue Schwimmbad, die Bauwagenplätze sind erhalten
geblieben, es gibt Wohnprojekte für Demenzkranke - alles Dinge, von
denen man meint, die Schwarzen würden das nur mit spitzen Fingern
anfassen. Das ging nur, weil man ordentlich miteinander umgegangen
ist. Jetzt den Versuch zu machen, ein Korrektiv zu sein im
Klimaschutz sowie in der Sozial- und Bildungspolitik, ist eine
spannende Herausforderung.

Die Koalitionsverhandlungen mit der CDU könnten auch scheitern:
Ist - sofern Michael Naumann seine ablehnende Haltung aufgibt - eine
rot-grüne Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die Linke eine
Option für Hamburg?

Goetsch: Wir Grüne schließen das aus. Es gibt einen entsprechenden
Parteitagsbeschluss. Mit meiner Person wird es keine Zusammenarbeit
mit der Linken geben.

Niedersachsens Grünen-Chef Raimund Nowak hat Fehler im Umgang mit
der Linken eingeräumt. Wie soll ihre Partei mit der Linken verfahren?

Goetsch: Wir werden auf parlamentarischer Ebene natürlich
vernünftig miteinander arbeiten. Aber wenn sich Dora Heyenn, die
Fraktionsvorsitzende der Linken in Hamburg, nicht von der DKP
distanziert, ist das für mich indiskutabel. Wir dürfen der Linken
nicht hinterherlaufen, sondern müssen unsere eigene grüne Politik
machen, und dann muss man auf der jeweiligen Landesebene sehen, wie
man zu handlungsfähigen Regierungen kommt. Dass das allerdings auf
Basis einer Tolerierung gehen soll, kann ich mir schwer vorstellen.

In Hessen auch mit der Linken, in Hamburg mit der CDU: Das wirkt
auf manchen wie Beliebigkeit, wie mitregieren wollen um jeden Preis.
Haben Sie keine Angst, ihre traditionelle Wählerschaft zu verprellen
und die Partei vor eine Zerreißprobe zu stellen?

Goetsch: Das hängt davon ab, was man inhaltlich umsetzen kann.
Wenn ich für Hamburg messbar und belastbar etwas erreichen kann, für
die Umwelt, für den Klimaschutz, für die Bildung, dann wäre es
verantwortungslos, das nicht zu versuchen. Wenn die
Verhandlungsergebnisse das allerdings nicht hergeben, gehen wir auch
hoch erhobenen Hauptes in die Opposition. Es geht nicht da"rum, um
der Macht willen in die Regierung zu gehen.

Die Linke hat in Hamburg gewonnen, die Grünen haben verloren. Sind
die Grünen zu sehr Öko-Partei und haben ihre Glaubwürdigkeit in
sozialen Fragen eingebüßt?

Goetsch: Wir Grüne haben in Hamburg nicht umsonst vor zwei Jahren
als erste Partei ein integriertes Handlungskonzept gegen die soziale
Spaltung vorgelegt. Die soziale Frage hat bei uns immer im
Vordergrund gestanden, gerade im Bildungsbereich, wo es um gleiche
Chancen für alle geht, wird uns eine große Kompetenz zugeschrieben.
Uns hat aber im Wahlkampf einerseits die Polarisierung der beiden
großen Parteien geschadet, zum anderen ist durch die Linke auch die
Konkurrenz größer geworden.

Aber die Linke konnte mit dem Thema soziale Gerechtigkeit
punkten...

Goetsch: Die Linke hat sehr populistisch argumentiert, ohne
belastbare Finanzierung und ohne Vorschläge, was konkret gemacht
werden soll. Und sie hat noch nicht einmal ihr Bundestagswahlergebnis
erreicht.

Wie werden sich die Grünen der neuen Parteienlandschaft
programmatisch anpassen?

Goetsch: Wir haben gerade das Leitbild der kreativen Stadt
entworfen, in dem jeder in Hamburg - vom Kind bis zum älteren
Menschen - mit seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten wichtig ist. Das
werden wir nach der Wahl nicht über Bord werfen. Wir werden das
weiterentwickeln und wollen, dass das bei einer Regierungsbeteiligung
auch wirksam wird.

Renate Künast und Jürgen Trittin sollen die Grünen 2009 in den
Bundestagswahlkampf führen. Ein Aufbruch sieht anders aus...

Goetsch: Wir wären schlecht beraten, wenn wir nicht erfahrene,
kluge Grüne an die Spitze stellen würden, und Renate Künast und
Jürgen Trittin haben das Zeug dazu, die Partei durch den Wahlkampf zu
führen.

Die grüne Basis hat ihren eigenen Kopf...

Goetsch: Gott sei Dank haben wir eine aktive Basis. Aber ich bin
keine Prophetin. Ich habe mit beiden im Wahlkampf zusammengearbeitet,
und ich halte diese Kombination für stark. Was dann in der
Parteispitze passiert, wird man sehen, nachdem Reinhard Bütikofer
leider aufhört.

Werden Sie in einem schwarz-grünen Senat das Bildungsressort
übernehmen?

Goetsch: Solche Fragen werden immer erst am Schluss geklärt, wie
Sie wissen. Aber ich werde mich mit Sicherheit nicht für das
Verkehrsressort bewerben.

Originaltext: Landeszeitung Lüneburg
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65442
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65442.rss2

Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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