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LVZ: Boris Palmer fordert Grüne zu mehr Ehrlichkeit in Fragen der Energie-, Umwelt- und Agrarpolitik auf / Weg vom herablassenden Habitus

Geschrieben am 17-04-2008

Leipzig (ots) - Zu mehr Offenheit und Ehrlichkeit bei den eigenen
ökologischen Positionen hat der Grünen-Politiker Boris Palmer auch
seine eigene Partei aufgerufen. Angesichts der teils dramatischen
Entwicklungen auf dem Energie- und Agrarbereich sollten sich die
Grünen auch um die eigene Glaubwürdigkeit kümmern. Das beträfe die
korrekturbedürftigen Positionen beim Biosprit, bei dem Zubau von
Kohlekraftwerken und der Finanzierbarkeit der Energiewende, meinte
Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen ist und zum
Führungsnachwuchs der Grünen gehört, in einem Interview mit der
"Leipziger Volkszeitung" (Donnerstag-Ausgabe).

Die Grünen seien zwar glaubwürdig wegen ihrer ökologischen
Überzeugungen, meinte Palmer. "Aber wir bieten auch offene Flanken.
Dazu gehört die Frage, ob es vielleicht nur für gut verdienende
Bürgertums-Kinder möglich ist, grünen Strom und biologische
Lebensmittel zu kaufen. Und dazu gehört auch der Habitus, ob man für
Ökologie wirbt oder fundamentalistisch oder gar herablassend
auftritt." Da müssten die Grünen "vorsichtig sein und die richtige
Form der Vermittlung finden", mahnte Palmer.

"Teile meiner Partei versuchen die kritische Diskussion über
Biosprit zu vermeiden, weil damit Überzeugungen in Frage gestellt
werden", kritisierte der Politiker. Das Bekenntnis zu den
erneuerbaren Energien sei völlig richtig. "Jetzt treten aber
Schwierigkeiten bei vielen Formen der erneuerbaren Energien auf. Die
Windkraftparks vor der Küste kommen aus technischen Gründen nicht
schnell genug voran. Bei der Solarenergie werden wir erleben, dass
die Zuwachsraten sinken, weil sie im Strombereich noch zu teuer ist.
Und bei der Bioenergie stellen wir fest, dass es eben doch eine
Konkurrenz um Ackerflächen gibt." Die explodierenden
Lebensmittelpreise führten schon zu Hungerrevolten in vielen Ländern.
"Wir müssen uns der echten Entscheidung stellen, ob man den Magen
oder den Tank auffüllt", sagte Palmer. Er erinnerte daran, dass die
Grünen im Europaparlament sich klar positioniert "und eine Abkehr von
den Biospritzielen eingefordert" hätten. Er unterstütze das. "Es geht
leider nicht so mit dem grünen Autofahren, wie einige von uns das vor
drei, vier Jahren gedacht haben. Wir können Biosprit nur insoweit
akzeptieren, wie deshalb keine Regenwälder abgeholzt und keine
Agrarflächen umgewidmet werden", sagte Palmer.

Überdenken müsste seine Partei auch einige rigide Positionierungen
in der Frage der Kohlkraftwerke. In den eineinhalb Jahren als
Aufsichtsratsvorsitzender der hundertprozentigen Tochter Stadtwerke
Tübingen habe sich "mein Blick für die wirtschaftliche Realität eines
solchen Unternehmens verschärft", sagte der Politiker. "Bei den
erneuerbaren Energien ist in der Regel kein Geld zu verdienen. Ebenso
wenig bei der Kraft-Wärme-Kopplung." Das seien die dezentral
verfügbaren Energieformen. Die Großkraftwerke würden von den vier
großen Energie-Monopolisten zu 85 Prozent beherrscht. Es gebe
folglich den wirtschaftlichen Druck, sich auch in der rentierlichen
Produktion von Strom in Großkraftwerken zu engagieren. "Ein
Atomkraftwerk scheidet für mich ganz sicher aus. Gaslieferverträge
sind derzeit faktisch nicht zu erhalten. Also steht derzeit leider
nur die Kohle zur Verfügung", so Palmer. "Diese Diskussion wird uns
in den nächsten Jahren noch verschärft blühen. Ich fürchte, eine
reine Abwehrstrategie gegen die Kohle wird tatsächlich die Kräfte
stärken, die die Laufzeit der Kernkraftwerke verlängern wollen."

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Büro Berlin

Telefon: 030/72626-2000


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