(Registrieren)

Rheinische Post: Die Koalition der Opernbesucher

Geschrieben am 17-04-2008

Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann

Seit Jahren wirkte das Parteiensystem wie in Beton gegossen: hier
CDU/CSU und FDP, dort Rot-Grün, später Rot-Rot-Grün; auf Bundesebene
wurden die Volksparteien so in die ungeliebte Große Koalition
gezwungen. Diese Erstarrung ist mit dem ersten schwarz-grünen
Hamburger Bündnis vorbei.
Für die Union wie für die Grünen eröffnen sich neue Optionen. Selbst
ein Hauch von Jamaika, also einem Dreier-Bündnis mit der FDP nach der
Bundestagswahl 2009, weht durch Abgeordnetenzimmer und
Redaktionsstuben. Der Verlierer des gestrigen Tages könnten die
Sozialdemokraten, möglicherweise auch die zu Kanzlermachern
hochgeschriebenen Linkspopulisten werden. Vielleicht finden CDU,
Grüne und die sich schon zaghaft regenden Liberalen eine
überraschende Antwort auf das sich in den Parlamenten etablierende
Fünfparteiensystem.
Diese Einschätzung, bei manchen von Hoffnung getrieben, könnte jedoch
verfrüht sein. Der Stadtstaat Hamburg zeichnet sich durch ein
anarchisches Wählerverhalten aus: Statt-Partei, der Rechtspopulist
Schill, sie alle mischten mit an der Elbe, nur Ole von Beust - ein in
vielen Dingen untypischer CDU-Mann - blieb. In den gutsituierten
Vierteln der Stadt gehört es zudem zum guten Ton, dass der
Chefarzt-Gatte Geländewagen fährt und CDU wählt, während die Dame des
Hauses biologisch-dynamisch einkauft und für die Grünen stimmt. Die
linke "tageszeitung" lästerte deshalb früh über die mögliche
"Koalition der Opernbesucher" in Hamburg.
Die Hamburg-CDU, die liberale Großstadt-CDU, letztlich die Merkel-CDU
verkörpert aber nicht die ganze Breite der Volkspartei CDU. Viele
Mitglieder, Wähler, auch Funktionsträger tun sich schwer mit dem
neuen Kurs. Die Geschmeidigkeit, mit der etwa ein Roland Koch in
Hessen plötzlich um die Gunst der einst als Maschinenstürmer
bekämpften Grünen buhlt, bleibt ihnen fremd. Bei ihnen überwiegt die
Sorge vor der weiteren Linksdrift und Ökologisierung der
Unions-Politik. Die Kritiker sehen sich bestärkt durch die
programmatische Leere, mit der Merkel ihre Regierungszeit bisher
füllt. Schließlich sorgte das Dekolleté der Kanzlerin zuletzt für
mehr Aufsehen als ihre Reformansätze.
So paradox es klingt: Die Grünen tun sich mit der neuen Koalition
leichter. Sie sind vor allem eine Partei der 40- bis 60-jährigen, die
verlorene Generation (auch) der Union. Die Signale, die ein Jürgen
Trittin in Richtung CDU aussendet, sind deshalb auch Rufe nach einer
Heimholung in die bürgerliche Gesellschaft und für ihn persönlich
damit an die liebgewonnenen Fleischtöpfe der Macht. Nach Hamburg
lautet die Prognose: Noch ist es nur ein Feldversuch. Doch will
Merkel nach 2009 eine andere Koalition anstreben, muss sie nicht nur
die Grünen gewinnen, sondern vor allem die skeptischen Teile des
eigenen Lagers. Das ist bei weitem der schwierigere Part.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

131777

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: NRW-Abi aufwerten Düsseldorf (ots) - Von Gerhard Voogt Die unionsgeführten Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt wollen einheitliche AbiturPrüfungen in Mathematik und Deutsch einführen. Nordrhein-Westfalen könnte sich dem Süd-Pakt anschließen. Aber NRW-Schulministerin Barbara Sommer zögert. Sie will die Bildungsstandards abwarten, die die Kultusministerkonferenz im Jahr 2010 verabschieden will: Erst danach sei eine Reform der Oberstufe sinnvoll, sagt die CDU-Politikerin. Die Suche der Süd-Länder nach einem gemeinsamen mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: Schwarz-Grün Stuttgart (ots) - Ohne Zweifel jedoch strahlt das Hamburger Bündnis als Symbol weit über den Horizont bloßer Machtpolitik hinaus. Es schärft das Profil zweier Parteien, deren jüngste Positionsbestimmungen längst nicht von allen Mitgliedern mit der gleichen Überzeugung mitgetragen werden. In der CDU tun sich viele schwer mit der gesellschaftspolitischen Öffnung, die Parteichefin Angela Merkel verordnete. Das Hamburger Bündnis macht diesen Kurs unumkehrbar. Ja mehr noch, er dürfte weitere Impulse erhalten. Wenn die Partei sich geschickt mehr...

  • Rheinische Post: Politikwissenschaftler Korte hält Bundesregierung Merkel-Trittin für möglich Düsseldorf (ots) - Der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte schließt eine schwarz-grüne Bundesregierung nicht aus. "Mit dem Personal Merkel und Trittin könnte es gehen", sagte er in Bezug auf die beiden Spitzenpolitiker Angela Merkel und Jürgen Trittin der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Trittin stehe dafür, dass die "Grünen ihre linke Identität nicht aufgeben. Merkel ist die unbestrittene CDU-Chefin," sagte der Duisburger Professor. Korte hält das neue schwarz-grüne Bündnis in Hamburg mehr...

  • Rheinische Post: Schwarz-Grün: Juso-Chefin fordert SPD zur Annäherung an Linkspartei auf Düsseldorf (ots) - Die Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, Franziska Drohsel, hat ihre Partei als Konsequenz aus der schwarz-grünen Koalition in Hamburg zu einer Anäherung an die Linkspartei aufgefordert. "Für uns bleibt natürlich die Option Rot-Grün, aber wir müssen in einem Fünf-Parteien-System unsere Gedanken auch nach links wenden und unsere ideologischen Scheuklappen zur Linkspartei verlieren", sagte Drohsel der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Koalitionen sollten nicht aus taktischen Gründen, sondern mehr...

  • Rheinische Post: Wirbel um Studie zu Fremdenfeindlichkeit bei Schülern Düsseldorf (ots) - Das Bekanntwerden vertraulicher Teilergebnisse einer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) betreuten Studie zu fremdenfeindlichen Tendenzen unter deutschen Jugendlichen hat zu Empörung bei den beteiligten Wissenschaftlern geführt. Demnach glaubt abgeblich fast jeder dritte Neuntklässler, es gebe in Deutschland zu viele Ausländer. KFN-Direktor Christian Pfeiffer bezeichnete diese Darstellung gegenüber der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe) als "unseriöse Verdrehung". mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht