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Börsen-Zeitung: Noch keine Entwarnung, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 25-04-2008

Frankfurt (ots) - In der neuen Börsenwoche, genauer gesagt am
Mittwoch, ist es wieder einmal so weit: Wenn die Mehrheit der
Notenbankbeobachter recht hat, wird die Fed erneut die Zinsen senken,
und zwar voraussichtlich um weitere 25 Basispunkte (BP) auf dann 2%.
Eine ganze Reihe von Ökonomen geht allerdings davon aus, dass
Fed-Chairman Ben Bernanke in die Vollen geht und den Märkten mit
einer Reduzierung um 50 BP unter die Arme greift. Das dürfte es dann
allerdings gewesen sein. Aktuell geht praktisch kein Fed-Watcher
davon aus, dass es danach weitere Zinsschritte geben wird. Die
US-Notenbank hat ihr Pulver verschossen, nun müssen die Anleger ohne
die geldpolitische Unterstützung klarkommen.

Damit stellt sich die Frage, wie sich die Aktienmärkte ohne die
Hilfe der Fed in den kommenden Monaten entwickeln. Zieht man die
Historie der US-Börsen heran, sieht es gar nicht so schlecht aus: In
den sieben Zinssenkungszyklen der vergangenen 40 Jahre hat es in
allen Fällen in den ersten sechs Monaten nach dem Ende der
Zinsschritte deutliche Kursgewinne gegeben, und zwar gemessen an der
Performance des S&P500 im Durchschnitt um 12%, wie die amerikanische
Investmentbank JPMorgan errechnet hat.

Für die europäischen Märkte sieht es zwar nicht ganz so freundlich
aus, aber die Tendenz ist dieselbe. In sechs von sieben Fällen
entwickelte sich der Markt, gemessen am MSCI Europe, positiv, und
zwar im Durchschnitt um knapp 10%.

Mit dieser Prognose, die für die kommenden Monate hoffen lässt,
wird eine Situation beschrieben, wie sie sich typischerweise am Ende
einer US-Rezession beobachten lässt. Das Schlimmste ist vorüber, es
beginnt ein neuer Konjunkturzyklus, die Gewinnerwartungen der
Unternehmen hellen sich auf - kurzum, die Märkte befinden sich in
einem ausgesprochen freundlichen Umfeld.

Was die aktuelle Situation betrifft, sind hier jedoch erhebliche
Abstriche zu machen. Nach wie vor befinden sich die Märkte in der
tiefgreifendsten Finanzkrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Damit unterscheidet sich die Lage deutlich von derjenigen am Ende der
Rezessionen der Vergangenheit. Zwar sind die Marktreaktionen auf die
jüngsten Beichten der Banken hinsichtlich neuer Abschreibungen und
Verluste erstaunlich milde ausgefallen. Selbst eine Royal Bank of
Scotland, die sich zur Rekapitalisierung 15 Mrd. Euro holen muss,
oder eine Deutsche Bank, die am Dienstag möglicherweise den ersten
Quartalsverlust seit fünf Jahren eingestehen muss, wird von den
Anlegern kaum abgestraft.

Ob die jüngste Welle der Wertberichtigungen und Verlustmeldungen
aber wirklich die letzte gewesen ist, steht in den Sternen. Wie das
Schicksal der Düsseldorf Hyp zeigt, kann die Implosion einer Bank
immer noch sehr schnell geschehen. Wackelkandidaten gibt es genug.
Die Analysten von Unicredit merken dazu an, dass die Spreads am
europäischen Geldmarkt weitere Risiken aus der Finanzmarktkrise
signalisieren. Was die USA betrifft, so erscheinen beispielsweise
Merrill Lynch und auch die Citigroup immer noch nicht in einem allzu
vertrauenserweckenden Zustand.

Auffällig ist auch, dass das Anlegervertrauen weiter nachlässt. So
hat State Street jetzt berichtet, dass der von der Bank berechnete
globale Investor Confidence Index im April auf 72,8 nach 77,2 im
Vormonat nachgegeben hat. Die Investoren waren in Europa danach sogar
noch pessimistischer als in Nordamerika. Der Index ist deshalb so
interessant, weil er auf dem realen Kauf- und Verkaufsverhalten der
Anleger basiert - und nicht auf Umfragen mit zweifelhafter
Aussagekraft.

Was den Märkten wohl noch bevorsteht, ist die Überwälzung der
Folgen der Kreditkrise vom Finanzsektor auf die Realwirtschaft. Das
Revisionsrisiko der Wachstumserwartungen der Unternehmen sei negativ,
heißt es bei Unicredit. Bislang wurden im EuroStoxx50 die
Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate erst um rund 5%
reduziert. Angesichts des Ausmaßes der Krise scheint dies eindeutig
zu wenig zu sein. Und vielleicht liegt die Bundesregierung ja gar
nicht so falsch, wenn sie ihre Wachstumsprognose für 2009 deutlich
auf 1,2% senkt.

(Börsen-Zeitung, 26.4.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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