Westdeutsche Zeitung: Höhere Sozialleistungen ind wohlfeil, aber nicht hilfreich - Armut: Verführerische Antworten = Von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 18-05-2008 |
Düsseldorf (ots) - Wer über Armut in Deutschland spricht, meint nicht die Armut, die wir mit dem Begriff zunächst verbinden. Zum Glück muss niemand in diesem Land lebensbedrohlichen Hunger leiden. Und in der Regel haben auch die Bedürftigen ein ordentliches Dach über dem Kopf: Der Wohnstandard von Sozialhilfeempfängern in Deutschland ist weltweit beispielhaft. Die Zahl der Obdachlosen konnte in den vergangenen zehn Jahren halbiert werden - obwohl sich die Schere zwischen arm und reich weiter geöffnet hat.
Auch wenn die Vorstellungskraft der allermeisten von uns nicht ausreicht, mit 781 Euro netto Monat für Monat auskommen zu müssen: Deutschlands Problem sind nicht seine Sozialstandards. Deutschlands Problem liegt in der Schwächung der Mittelschicht. Der Mittelschicht, die den überwiegenden Teil der weltweit beispielhaften Sozialtransfers aufbringen muss. Und der Mittelschicht, deren unterer Teil selbst in die Sozialbedürftigkeit abzurutschen droht.
Die einfachen Antworten zur wachsenden Armut in Deutschland mögen verführerisch sein. Richtig sind sie deshalb nicht. Wer wie die Linke oder auch manche Sozialpolitiker von CDU und SPD die Hartz-IV-Bezüge aufstocken will, belastet vor allem die Mittelschicht, die diese Leistungen aufbringen muss. Zudem würde es sich für eine steigende Zahl von Menschen nicht mehr lohnen, einer Beschäftigung nachzugehen, statt selbst Sozial- oder Arbeitslosenhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im boomenden Schwarzarbeitsmarkt den Lebensunterhalt abzugsfrei aufzubessern.
Der zweite Ruf ist der nach den Mindestlöhnen. Arbeitsminister Scholz instrumentalisiert ihn für seine parteipolitischen Ziele. Dabei hat Deutschland mit dem Arbeitslosengeld II bereits faktisch einen Mindestlohn.
Wer die Mittelschicht stärken will, wer Schwarzarbeit bekämpfen will, der muss die Steuer- und Abgabenlast der Bürger senken - die die Große Koalition massiv ausgeweitet hat. Das Argument des Schuldenabbaus lenkt dabei nur davon ab, dass mit dem größeren Teil der Mehrwertsteuererhöhung die Ausgaben des Staates gesteigert wurden. Wer die wirtschaftliche Entwicklung stärken, wer Armut nachhaltig bekämpfen will, der muss den Arbeitnehmern mehr netto geben.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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