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Westdeutsche Zeitung: Milch wird zum Politikum = von Ingo Faust

Geschrieben am 02-06-2008

Düsseldorf (ots) - Bauern klagen immer! Jedenfalls, so lange es
unsere Republik gibt. Immer sind die vielfältigen Subventionstöpfe
der EU ungerecht verteilt. Und nie ist die Stadtbevölkerung den
Bauern für ihre zusätzlichen Leistungen für den Umweltschutz dankbar.
Aber bei der Milch haben die Bauern diesmal Recht. Preise, die keine
Gewinne mehr bringen, sondern nur Verluste anhäufen, sind nicht
tragbar. In solchem Fall können sie nur ihre Kühe abschaffen, was
aber von der Gesellschaft kaum gewollt sein kann. Nach Kleidung "made
in China" jetzt Milch "made in Indien"? Für Verbraucher ein
grauenvoller Gedanke.
Für die deutschen Milchbauern, die mit explodierten Futter- und
Energiepreisen zu kämpfen haben, geht es um die nackte Existenz.
Allerdings heiligt ihr Überlebenszweck nicht alle Mittel. Blockierte
Molkereien, deren genossenschaftlicher Teil sogar den Bauern meist
selbst gehört, können für ihren Verdienstausfall Schadenersatz
verlangen. Und Milch in den Gully zu kippen, ist ethisch einfach
nicht korrekt, wenn in Afrika die Kinder hungern. Auch wenn
katholische Bischöfe und evangelische Landeskirchen sich mit den
Bauern solidarisch erklären. Die Milchvernichtungsaktion kommt auch
im Ausland nicht gut an, jedenfalls, wenn sie länger dauert.
Seit gestern dürfte jedoch der Zenit beim Bauern-Boykott
überschritten worden sein, die Milch ist zum Politikum geworden.
Selbst Verbraucherschützer, die sonst gegen jede Preiserhöhung zu
Felde ziehen, plädieren für einen fairen Milchpreis, der alle -
Erzeuger, Handel und Konsumenten - gerecht behandelt. Für fünf Cent
pro Liter Rohmilch mehr, also dem Preis vor der Absenkung Ende April,
arbeiten die Bauern wieder mit Gewinn. Für den durchschnittlichen
Vier-Personen-Haushalt bedeutet dies Mehrkosten von 3,20 Euro pro
Monat - nicht einmal der Gegenwert einer Schachtel Zigaretten.
Andererseits: Die Bauern sind an ihrer eigenen Misere nicht
schuldlos. Auch wenn der deutsche Handel stark konzentriert ist,
müssen sie sich solche Preise nicht diktieren lassen. Die ihnen
gehörenden Molkereien sollten sie an die Kandarre nehmen, damit sie
anständige Preise aushandeln. Selbst Müller-Milch müsste sich dann
anpassen. Verträge später zu reklamieren, ist schlecht. Das sollten
die Bauern spätestens jetzt gelernt haben.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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